Konjunktur Aufschwung in Europa schwächt sich ab

Berlin · Die Bundesregierung korrigiert ihre Prognose nach unten. Altmaier sagt, dass Steuererleichterungen für Unternehmen kommen sollen.

 Trotz vieler voller Auftragsbücher: Das Wachstum deutscher Unternehmen lässt nach.

Trotz vieler voller Auftragsbücher: Das Wachstum deutscher Unternehmen lässt nach.

Foto: dpa

Handelskonflikte, Brexit-Risiken und steigende US-Zinsen haben die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt und den Konjunkturpessimismus nicht nur bei den Kapitalanlegern geschürt. Nach dem größten Kursrutsch in Deutschland seit Monaten am Mittwoch verlor der Deutsche Aktienindex auch am Donnerstag weiter an Wert. Ein Marktanalyst sah den Dax sogar im „Crashmodus“ und sprach von Panik bei den Anlegern. Auch in den USA und in Asien rutschten die Kurse ab, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einer möglichen Neuauflage der Finanzkrise gewarnt hatte, sollte die Weltgemeinschaft die Finanzmarktregeln wieder lockern.

Die Kursverluste haben allerdings bisher noch wenig mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage in den wichtigsten Ländern zu tun. Die US-Wirtschaft wächst unter Präsident Donald Trump mit einer hohen Rate, die Arbeitslosigkeit liegt auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten. Auch in China bleibt das Wachstum vorerst noch robust, der Handelsstreit mit Trump zeigt bisher noch kaum Bremsspuren. Trump drohte am Donnerstag aber mit weiteren Zollschritten und griff auch die US-Notenbank Fed an, die er wegen ihrer Zinserhöhungspläne für „verrückt“ erklärte. IWF-Chefin Christine Lagarde rüffelte Trump dafür bei der Eröffnung der IWF-Herbsttagung im indonesischen Bali.

Aufschwung im schwächeren Tempo

Auch in Europa setzt sich der Aufschwung im schwächeren Tempo fort. Deutschland bleibt Konjunkturlokomotive, wird wegen äußerer Bremsfaktoren und hausgemachter Branchenkrisen wie dem Dieselskandal künftig aber mit geringeren Raten wachsen als bisher. Die Konjunkturrisiken für die Exportnation haben sich mit den handelspolitischen Provokationen Trumps, dem drohenden harten Brexit und den zunehmenden Schwierigkeiten der Automobilindustrie als wichtigstem Standbein der deutschen Industrie jetzt aber deutlich erhöht.

Die Bundesregierung korrigierte ihre Wachstumsprognose am Donnerstag für das laufende Jahr um 0,5 Prozentpunkte und für das kommende um 0,3 Punkte nach unten, glaubt aber an eine Fortsetzung des längsten Aufschwungs seit 1966 auch in den kommenden Jahren. Für 2018, 2019 und 2020 erwartet Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Wachstum von jeweils 1,8 Prozent. „Das können wir schaffen, wenn alle Beteiligten die Zuversicht haben, dass der Aufschwung weitergeht“, sagte Altmaier bei der Vorstellung der Herbstprojektion.

Ziel der Vollbeschäftigung komme in Reichweite

Das Ziel der Vollbeschäftigung komme in Reichweite. Die Arbeitslosenquote werde 2018 auf 5,2 und 2019 weiter auf 5,0 Prozent sinken. Vollbeschäftigung ist nach Ökonomen-Meinung erreicht, wenn die Quote auf etwa drei Prozent gesunken sei, sagte Altmaier. Die Zahl der Erwerbstätigen werde 2018 auf 44,9 Millionen und 2019 weiter auf 45,3 Millionen steigen. Allerdings bremse der Fachkräftemangel zunehmend das Wachstum, weshalb Unternehmen 2019 ihre Ausrüstungsinvestitionen laut der Prognose auch nur halb so deutlich steigern würden wie 2018. Wegen der starken Inlandsnachfrage würden die Importe 2019 mit einer deutlich höheren Rate steigen als die Exporte, so dass der deutsche Handelsüberschuss geringer ausfallen werde, was international ja auch gefordert werde, so Altmaier.

Weniger Konjunkturängste als Standortfragen haben Altmaier veranlasst, seine Beamten anzuweisen, sich Gedanken über die steuerliche Situation deutscher Unternehmen zu machen. Nach den Steuersenkungen in den USA und Entlastungen in Frankreich und Großbritannien droht Deutschland ins Hintertreffen zu geraten. In einem Zehn-Punkte-Aktionsprogramm, aus dem das „Handelsblatt“ am Donnerstag zitierte, fordert der Wirtschaftsminister eine 20-Milliarden-Entlastung deutscher Unternehmen. Kernstück solle die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags sein, der nach bisherigen Koalitionsplänen 2021 nur für 90 Prozent der Steuerzahler entfallen soll. Die besserverdienenden zehn Prozent der Steuerzahler sollen den Soli weiter bezahlen.

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