Fleisch im Discounter Aldi führt Kennzeichnung über Tierhaltung ein

Berlin · Der Discounter hat sich bisher keinen großen Namen gemacht im Tierschutz. Jetzt führt er - wie zuvor schon Konkurrent Lidl - eine Fleisch-Kennzeichnung ein, damit Kunden gute Haltung erkennen können.

 Stallhaltung oder Freilandaufzucht? Immer mehr Kunden in Supermärkten wollen das wissen.

Stallhaltung oder Freilandaufzucht? Immer mehr Kunden in Supermärkten wollen das wissen.

Foto: picture alliance/dpa

Das 600-Gramm Schweinenackensteak für nur 1,99 Euro. Dieses Angebot des Discounters Aldi wird Dominik Boisen zu viel. Auf Facebook schreibt er: „Das ist einfach nur billigster Dreck, für dessen Produktion alles und jeder bis zum Anschlag ausgebeutet wurde – am meisten die, die sich am wenigsten wehren können: die Tiere.“ Er trifft damit einen Nerv: Im Internet beginnt eine hitzige Debatte – und für Aldi ein Shit-storm. Das war im Frühjahr 2017. Jetzt denken Aldi Nord und Aldi Süd um.

Die Discounter, die bisher vor allem billig sind, führen ab Anfang August Schritt für Schritt eine Fleischkennzeichnung auf ihren Waren ein, damit Kunden an der Kühltheke erkennen können, wie die Rinder, Hühner, Schweine gehalten wurden, die Steak, Keule, Schnitzel liefern. Aldi nennt das „Haltungstransparenz“, das Ziel sei „langfristig für mehr Tierwohl zu sorgen“. So solle „auf die Wünsche“ der Kunden eingegangen werden.

Die Handelskette folgt damit der Konkurrenz. Lidl hat bereits im Februar einen Haltungspass eingeführt. Dem haben sich Kaufland, Netto und Penny weitgehend angeschlossen. Sie arbeiten alle mit vier Stufen, unterscheiden sich allenfalls in Details. Stufe 1 „Stallhaltung“ entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, bei Stufe 2 „Stallhaltung plus“ bekommen die Tiere etwas mehr Platz als per Gesetz vorgeschrieben und zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Bei Stufe 3 „Außenklima“ haben die Tiere einen Zugang ins Freie. Stufe 4 „Bio“ entspricht der EU-Ökoverordnung.

Deutscher Tierschutzbund fordert "konsequentes staatliches Label"

Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Die höheren Standards müssten aber auch über ein „verlässliches Bezahlmodell“ belohnt werden. Der Verband setze darum lieber auf die Initiative Tierwohl. Das ist eine Brancheninitiative, bei der sich die Anforderungen an die Haltung allerdings wenig vom gesetzlichen Standard unterscheiden.

Dem Deutschen Tierschutzbund gehen die freiwilligen Kennzeichnungen grundsätzlich nicht weit genug, er forderte ein „konsequentes staatliches Label“. An einem staatlichen Label wird im Bundesagrarministerium schon seit längerem gearbeitet, noch sind aber die Kriterien nicht festgezurrt, fehlt es an der Umsetzung. CDU-Politikerin Julia Klöckner, die das Ressort führt, schätzt, dass das Logo frühestens 2020 in die Supermärkte kommt. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD nur versprochen, im kommenden Jahr ein Konzept vorzulegen.

Aldi-Duo will Herstellung anpassen

Die Handelsketten preschen vor. „Aus gutem Grund“, meint Martin Fassnacht: „Sie wollen ihr Image verbessern, zudem ist der Wettbewerb hart, macht der eine was, zieht der andere nach.“ Der Professor, Marketingexperte an der der privaten Hochschule für Wirtschaft und Management WHU bei Koblenz, weiter: „40 Prozent der Deutschen haben Katze, Hund, Vogel zuhause, der Tierschutz ist emotional.“ Und auch, wenn die Deutschen noch oft zu Billigfleisch greifen würden, reagierten die Supermärkte darauf, dass die bisherige Haltung teils in Verruf geraten sei.

So will das Aldi-Duo auch die Herstellung selbst anpassen – und bis 2019 „ungefähr die Hälfte der Eigenmarken-Frischfleischprodukte“ mindestens auf die „Stufe 2“ umstellen. Satte 59 Kilo Fleisch isst der Durschnittsdeutsche im Jahr. Ob das Steak nun teurer wird, das sagt Aldi nicht, denn man könne „zur zukünftigen Preisgestaltung keine Auskunft geben“.

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