Institut der deutschen Wirtschaft Studie: 19 Regionen hinken bei wirtschaftlicher Entwicklung hinterher

BERLIN · Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hat 96 Regionen in Deutschland unter die Lupe genommen. 19 drohen den Anschluss zu verlieren. Der Raum Köln/Bonn ist nicht dabei, und doch fällt er in einer Kategorie negativ auf.

In Deutschland drohen 19 von insgesamt 96 Regionen wegen Überalterung, kommunaler Überschuldung und schlechter Infrastruktur bei Verkehr und Breitbandausbau den Anschluss an den Rest des Landes zu verlieren. Nach einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zählen elf ostdeutsche Regionen als Gebiete mit akutem Handlungsbedarf, ebenso vier Regionen in NRW entlang der Ruhr sowie Bremerhaven, das Saarland, Schleswig-Holstein Ost und die Westpfalz.

Eine tiefe regionale Spaltung zwischen urbanen Eliten und ökonomisch abgehängter Provinz, wie man sie in vielen Ländern innerhalb und außerhalb der EU sehe, habe man in Deutschland bislang noch abwehren können. IW-Direktor Michael Hüther wollte auch noch nicht davon sprechen, dass diese 19 gelisteten Regionen auf dem Weg zu einer Art deutschem „Rust Belt“, seien, also Regionen, die ausbluteten. Allerdings bestünde das Risiko einer solchen Entwicklung, wenn man nichts tue. Die aufgezeigten Unterschiede würden sich über die kommenden Jahre „wahrscheinlich weiter verstärken, wenn die Politik nicht beherzt eingreift. Bleibt die Politik untätig, werden also die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen. Dann kommt es zu gefährlichen Abwärtsspiralen.“ Vor allem müssten die Kommunen befähigt werden, sich selbst zu helfen, etwa durch Schuldenerlasse.

Der Studie zufolge hat vor allem Ostdeutschland ein Demografieproblem wegen des hohen Durchschnittsalters seiner Bewohner, das in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen sei. Überalterung der Bevölkerung präge die Regionen Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg, Lausitz-Spreewald, Oberlausitz-Niederschlesien sowie Ost- und Südthüringen. Auch das Stadt-Land-Gefälle sei ein Problem. Allerdings habe sich der Trend im Osten inzwischen umgekehrt. Mehr Menschen kehrten zurück anstatt wegzuziehen – vor allem Rentner, aber auch junge Familien, sagte Co-Autor Jens Südekum. „Die Abwanderung aus Ostdeutschland ist gestoppt.“ Grund für den Rückzug in den Osten seien auch hohe Mieten in den Ballungsgebieten.

Die drei westdeutschen Regionen Emscher-Lippe, Trier und Westpfalz fielen jeweils durch sehr hohe Verschuldungsquoten auf. So gebe es auch in NRW „Riesenprobleme“ bei der Altschuldenbereinigung. „Die betroffenen Länder sollten Schuldenerlasse für die Kommunen in Betracht ziehen, damit diese wieder handlungsfähig werden“, schlug IW-Direktor Hüther vor. In den Ruhrgebietsregionen Duisburg/Essen und Emscher-Lippe habe die Arbeitslosenquote 2017 bei noch über zehn Prozent gelegen. In Bremerhaven sei vor allem die hohe Verschuldung der privaten Haushalte ins Gewicht gefallen. Gegenden wie die Altmark, Magdeburg und Halle/Saale hinkten vor allem bei der Verfügbarkeit von Breitbandinternet hinterher.

Rheinschiene steht gut da – in fast allen Punkten

Die Region Bonn, die Region Köln und die Region Düsseldorf gehören jeweils nicht zu den Problemregionen. Lediglich beim Stand ihrer kommunalen Schulden werden aber auch Bonn, Köln, Düsseldorf sowie die Region Aachen als gefährdet eingestuft. Die Region Bonn war der Studie zufolge noch bei zwei Einzelindikatoren (Arbeitslosenquote und BIP je Einwohner) „auffällig“, da sie hier ungewöhnlich stark stagniere. Beim Breitbandausbau gelten Bonn, Köln und Düsseldorf nicht als Problemzonen. Anders sehe es allerdings aus, wenn man in die Eifel fahre, wo der Breitbandausbau wie auch die Mobilfunkabdeckung noch hinterherhinke, sagte der Co-Autor der Studie, Michael Voigtländer, der an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre ist.

Auch hapere es etwa in Euskirchen an ausreichender Verkehrsinfrastruktur, weil die Stadt mit der Bahn schlecht nach Köln angebunden sei. Die Autoren der Studie plädieren dafür, durch ein besseres Schienennetz mehr Gemeinden an Metropolen anzubinden, was diese Kommunen wiederum attraktiver mache und die Großstädte entlaste. Darüber hinaus sei der Breitbandausbau sowohl für Unternehmen wie auch für Privathaushalte ein zentraler Standortfaktor. 5G sei „unerlässlich, um Regionen attraktiv zu machen“, so Hüther.

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