Pharmabranche unter Druck Kampf gegen gefälschte Medikamente

Bonn · Die EU führt ein neues Sicherungssystem zur Überprüfung der Echtheit von Medikamenten ein. Für die deutsche Pharmaindustrie wird das teuer.

 Ab 2019 hat jede Arzneiverpackung eine Seriennummer, über die sie rückverfolgbar ist.

Ab 2019 hat jede Arzneiverpackung eine Seriennummer, über die sie rückverfolgbar ist.

Foto: dpa

Zwei rosafarbene Pillen – einmal Original, einmal Fälschung. Dabei sieht die Fälschung viel ansprechender aus: Die Oberfläche der Pille ist glatter, die Aufschrift sorgfältiger gefräst, die Farbe intensiver. Selbst für einen Profi sei es kaum möglich, die Fälschung zu identifizieren, erklärt Martin Bergen, Geschäftsführer von Securpharm, einem Verband, der in Deutschland ein neues Sicherheitssystem aufbaut, um die Echtheit von Medikamenten zu überprüfen – analog passiert das derzeit auch in allen anderen EU-Ländern. Denn in knapp einem Jahr müssen alle Mitgliedstaaten – außerdem Norwegen, Island und Liechtenstein, die Schweiz macht freiwillig mit – eine Fälschungsschutzrechtlinie umsetzen.

Konkret heißt das, mit Hilfe von neuen Verpackungen und einer zentralen Datenbank wird jedes Medikament in der EU künftig ein Unikat und rückverfolgbar.

Stichtag ist der 9. Februar 2019. Dann dürfen Pharmaunternehmen nur noch Verpackungen in den Handel bringen, die bestimmte Informationen enthalten, unter anderem eine Seriennummer. Diese lädt der Hersteller in ein Datenbanksystem. So können Apotheker und Krankenhäuser prüfen, ob es sich um ein Originalmedikament handelt. Vor jedem Verkauf muss das Medikament verifiziert werden. Wird die Packung verkauft, markiert der Apotheker sie in der Datenbank mit „abgegeben“. Da das Entdeckungsrisiko hoch ist, sollen Fälscher abgeschreckt werden. Zusätzlich wird künftig jede Verpackung mit einem Erstöffnungsschutz versehen sein, wie Verbraucher es zum Beispiel auch von Lebensmitteln kennen.

Das neue System betrifft ausschließlich verschreibungspflichtige Medikamente. Das heißt, dass in Deutschland bis Anfang nächsten Jahres das Layout von 50 000 Packmitteln angepasst werden muss. Für die Pharmaunternehmen wird die Umstellung nicht billig. Zumal die Hersteller künftig auch das System selbst finanzieren sollen, in dem sie ab 2019 für dessen Nutzung zahlen. Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) schätzt, dass die Pharmaindustrie bis 2022 in Deutschland insgesamt rund 1,5 bis zwei Milliarden Euro investieren muss. Betroffen sind bundesweit rund 450 Pharmaunternehmen, die verschreibungspflichtige Medikamente herstellen.

Die Umstellung habe aber wohl auch zur Folge, dass einige Unternehmen, die vielleicht nur ein oder zwei rezeptpflichtige Medikamente anbieten, diese aus dem Sortiment nehmen, wenn sich die Umstellung finanziell nicht lohnt, erklärt Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH.

Die Zahl der gefälschten Medikamente, die in Deutschland über die legale Lieferkette in den Handel kommen, ist zwar gering – das Bundeskriminalamt hat 38 Fälle in zwölf Jahren registriert, Tendenz steigend. Allerdings sei die Einnahme jeder Fälschung nicht kalkulierbar und könne für Patienten gesundheitsgefährdend sein, so der BAH.

Auf den Online-Handel wirke sich das neue System nicht aus. Selbst wenn der Verbraucher bei zertifizierten Apotheken bestellt, bleibe das Sicherheitsrisiko beim Transport, so Kortland.

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