Europäischer „Spitzenreiter“ Deutschland versinkt im Plastikmüll

Berlin · Deutschland versinkt nach einem faktischen Importstopp Chinas im Plastikmüll. Was es mit der Frosch-Initiative auf sich hat.

 Pro Einwohner landen in Deutschland 462 Kilogramm Müll in den Abfallbehältern.

Pro Einwohner landen in Deutschland 462 Kilogramm Müll in den Abfallbehältern.

Foto: picture alliance / dpa

Deutschland ist beim Abfallaufkommen europäischer Spitzenreiter. Jeder Einwohner warf im Jahr 2016 nach Angaben des Statistischen Bundesamts 462 Kilogramm in die Abfallbehälter. Bei einer vierköpfigen Familie sind das fast zwei Tonnen Müll. Mehr als die Hälfte davon ist Sperrmüll wie alte Möbel. Dazu trennen die Bundesbürger fleißig Papier, Bioabfall oder Glas. Trotzdem blieben pro Kopf noch 159 Kilogramm Restmüll übrig. Das ist nur ein Teil des gesamten Abfallaufkommens. Rechnet man die Abfälle aus Gewerbe, Bau oder Rohstoffgewinnung hinzu, wiegt der Müllberg eines Jahres 400 Millionen Tonnen.

Das Problem: Wie verschwenderisch der Umgang mit wertvollen Rohstoffen ist, zeigt anschaulich das Beispiel der Pappbecher für den Kaffee zum Mitnehmen. Eine Erhebung des Instituts Emnid ergab, dass allein in Berlin täglich rund 460.000 davon nach dem kurzen Gebrauch im Müll landen. Ein echtes Problem stellen aktuell Kunststoffabfälle dar. Bisher konnten zum Beispiel Folien aus der Industrie zu einem guten Teil nach China verkauft werden, wo sie verwertet und mitunter als Fleecejacke in neuem Gewand wieder zurück nach Deutschland gebracht wurden. Damit ist jetzt Schluss, da die chinesische Regierung den Import von Plastikmüll praktisch verboten hat. 750.000 Tonnen davon muss die Industrie jetzt anderweitig unterbringen. Das Verbot bezieht sich auch auf andere Abfälle wie Schlacke aus der Stahlproduktion.

Kreislaufschwierigkeiten: Recycling gilt als Lösung des Abfallproblems. Die gesetzlich geregelte Kreislaufwirtschaft soll die Wiederverwertung sicherstellen. Derzeit muss ein gutes Drittel der Kunststoffabfälle recycelt werden. Doch der daraus gewonnene Rohstoff findet nicht genügend Abnehmer, wie der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) beklagt. Ohne staatliche Unterstützung sind diese Granulate nach Ansicht des Verbands nicht wettbewerbsfähig gegenüber „neuen“ Kunststoffen. Auch stellen die Entsorger eine gewisse Skepsis bei den potenziellen Abnehmern fest, die in der Regel große Mengen in gleichbleibender Qualität fordern.

Das Gesetz: Die große Koalition hat die Recycling-Quoten im Kreislaufwirtschaftsgesetz angehoben und geht damit über die Vorgaben der EU hinaus. Ab dem kommenden Jahr müssen 65 Prozent der Abfälle an Kunststoff, Glas, Papier und Metall wiederaufbereitet werden. Allerdings bedeutet dies noch lange nicht, dass für die zurückgewonnenen Rohstoffe auch ein Absatzmarkt gefunden wird. Das befürchtet zumindest die Entsorgungswirtschaft, die Anreize für den Einsatz von Sekundärrohstoffen fordert. Laut BDE käme dafür ein verminderter Steuersatz infrage. Auch könne die öffentliche Hand bei der Beschaffung die Verwendung von Recyclingstoffen verlangen.

Das Geschäft: „Abfall ist ein Handelsgut“, sagt BDE-Sprecher Bernhard Schodrowski. Das gilt auch für die exportierten Kunststoffe, aus denen am Ende andere Produkte hergestellt werden. Der Wert und auch die Notwendigkeit der Entsorgung haben eine wirtschaftlich starke Branche entstehen lassen. Fast 6000 Unternehmen verdienen in Deutschland mit der Sammlung, Behandlung oder Rückgewinnung der Stoffe ihr Geld. Zusammen kommen sie auf einen Umsatz von über 32 Milliarden Euro. Auch schafft der Müll Arbeit. 2015 zählte das Statistische Bundesamt rund 260.000 Beschäftigte für den Umweltschutz. Der Verbraucher bezahlt am Ende die Entsorgung, auch wenn er es mitunter gar nicht merkt. Beim Hausmüll, den meist die Kommunen abholen, werden die Gebühren mit der Miete oder direkt beim Besitzer von Haus oder Wohnung kassiert. Den Verpackungsmüll in der gelben Tonne entsorgen die Unternehmen auch nicht kostenlos. Die Industrie bezahlt über Lizenzgebühren die Abholung. Die Kosten werden Teil des Verkaufspreises der Waren.

Die Müll-Verbesserer: Es gibt verschiedene Ansätze, das Aufkommen an Kunststoffabfällen zu vermindern. Ein Vorreiter ist die „Frosch-Initiative“. Der Hersteller von umweltfreundlichen Haushaltsreinigern verwendet nur Behältnisse, die vollständig aus recycelten Kunststoffen bestehen. Andere Unternehmen entwickeln neue Technologien, um Verpackungen auf der Basis von Papier zu entwickeln, die auch den hohen Anforderungen des Lebensmittelhandels erfüllen.

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