GA-Klimazeitung Der Klimaschutz entwickelt sich zum Wirtschaftszweig

Bonn · Die Sorge ums Klima beflügelt Spenden und Investitionen in unterschiedlichste Projekte. Inzwischen gibt es sogar viele Europäer, die sich für ihre Flugreisen schämen. Das können Vielflieger dagegen tun.

Heiße Luft oder gute Geldanlage? Ablasshandel für besserverdienende Bedenkenträger oder Beitrag zum Klimawandel? Der Klimaschutz entwickelt sich zum Wirtschaftszweig, weil einerseits Börsianer von den steigenden Preisen der CO2-Zertfikate angezogen werden und andererseits eine wachsende Zahl von Flugreisenden und Kreuzfahrern ihr Gewissen mit Kompensationsspenden beruhigen.

Die Kompensationsagentur Atmosfair meldet Rekordzahlen. Auf 9,5 Millionen Euro stiegen die bei der Organisation eingegangenen Spenden 2018, 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Und 2019 dürften es nochmal mehr werden, schätzt die Agentur. Sie ist eine von mehreren Anbietern, bei denen man unter anderem Flüge und Kreuzfahrten ausgleichen kann, indem man Geld für Umweltprojekte spendet.

„Flygskam“, auf Deutsch Flugscham, plagt inzwischen viele. 2018 tauchte der Begriff in Schweden erstmals auf. Ein Modewort? Oder ein echtes Indiz für ein sich änderndes Bewusstsein, was den eigenen ökologischen Fußabdruck angeht, obwohl Flugreisen und Kreuzfahrten florieren?

Geld kann in effiziente Öfen in Ruanda investiert werden

Und so geht es: Ein Hin- und Rückflug mit Ryanair für zwei Personen vom Köln/Bonner Flughafen nach Berlin-Tegel mit einer Boeing 737-800 schlägt nach der Berechnung von Atmosfair mit 316 Kilogramm Kohlendioxid zu Buche. 15 Euro werden dafür eigentlich fällig. Allerdings lässt sich eine Spende bei Atmosfair erst ab fünf Euro pro Person und Teilstrecke platzieren. Also 20 Euro, für die der Spender entweder der Kompensationsagentur die Wahl lässt, was damit geschieht, oder ein Projekt selbst wählt, an das seine gespendete Summe fließt.

Beispielsweise lässt sich das Geld in effiziente Öfen in Ruanda investieren, um in einem der dicht besiedeltsten Länder zu verhindern, dass Wälder abgeholzt und CO2 in die Luft geblasen werden. Alternativ kann das Geld in mit Kuhdung betriebene Biogasanlagen in Nepal oder in die Stromerzeugung aus Ernteresten in Indien fließen.

Während Fluggäste und Kreuzfahrtenreisende draufzahlen, um ihr Gewissen und zugleich die Umwelt zu entlasten, setzen Hedgefonds-Manager und Anleger zunehmend auf EU-Klimazertifikate. „400 Prozent Plus in einem Jahr – das ist Europas begehrtester Rohstoff, titelte das Handelsblatt schon im Herbst 2018. In einer Studie prognostiziert die Investmentbank HSBC: „Der Preis könnte bis 2019 über 30 Euro die Tonne steigen.“ So wird die Angst vor dem Klimawandel zum guten Geschäft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort