Krise des Autobauers Bram Schot springt bei Audi für inhaftierten Stadler ein

Wolfsburg/Ingolstadt · Nach der Inhaftierung von Audi-Chef Rupert Stadler hat der Aufsichtsrat Vertriebschef Abraham Schot zum Interimschef bestellt. Die langfristige Nachfolge Stadlers soll in den kommenden Wochen geregelt werden.

 Ein Bild aus dem März: Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot (l.) schüttelt die Hand von Rupert Stadler.

Ein Bild aus dem März: Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot (l.) schüttelt die Hand von Rupert Stadler.

Foto: dpa

Der Aufsichtsrat der Ingolstädter VW-Tochter Audi hat den inhaftierten Audi-Chef Rupert Stadler beurlaubt. Auch von seinen Pflichten als Vorstand der Audi-Mutter VW ist der gebürtige Bayer auf eigenen Wunsch entbunden worden. Zum Interimschef des Premiumherstellers wurde der Niederländer Abraham Schot bestellt, der erst seit Herbst 2017 Audi-Vertriebschef ist. Zuvor hatten sich die Aufseher von Audi und die des über zwei Tage lang parallel tagenden VW-Aufsichtsrats im Umgang mit der Personalie Stadler schwer getan. Da es völlig offen sei, wie lange der Topmanager in U-Haft bleiben muss, sei die Entscheidung zur Beurlaubung des Mannes, der seit 2007 an der Spitze von Audi steht, unumgänglich gewesen, hieß es aus dem Umfeld des Audi-Aufsichtsrats.

Einen Kandidaten zur langfristigen Nachfolge Stadlers gebe es noch nicht. Dessen Karriere bei Audi und VW gilt als unwiderruflich beendet, auch wenn das in einer offiziellen Audi-Mitteilung anders klingt. „Die Entbindung wird vorübergehend vorgenommen, bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat“, heißt es dort zur Beurlaubung des bisherigen Audi-Chefs. „Es ist undenkbar, dass Stadler an seinen Schreibtisch zurückkehrt“, stellt dagegen ein Insider aus dem unmittelbaren Umfeld des 55-jährigen Managers klar.

Der sitzt seit Montag wegen Verdunklungsgefahr und Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen in der Justizvollzugsanstalt Augsburg. Seine Beurlaubung war eine schwere Geburt. „Sie haben sich nicht einigen können“, sagte ein Insider über das Aufsehertreffen, das am Montag in der Nacht ergebnisoffen abgebrochen worden war. Nun hat sich aber offenbar im VW-Imperium die Erkenntnis durchgesetzt, dass Stadler nicht mehr zu halten ist. Nicht sofort gekündigt worden ist er dem Vernehmen nach, weil auch für ihn die Unschuldsvermutung gilt und das einen Rauswurf arbeitsrechtlich nicht erlaubt. Würde Stadlers Vorstandsvertrag jetzt einseitig gekündigt, könne das sehr teuer werden, sagt ein Rechtsexperte.

Aus Arbeitnehmersicht sei die Beurlaubung Stadlers die richtige Entscheidung, sagt Irene Schulz, die für die IG Metall im Audi-Aufsichtsrat sitzt. Audi müsse handlungsfähig bleiben, betonte Aufsicht Peter Mosch. Er ist Audi-Gesamtbetriebsratschef und sitzt parallel auch im VW-Aufsichtsgremium. Interimschef Schot müsse den Autobauer nun wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen, die interne Aufklärung konsequent zum Abschluss bringen und das Tagesgeschäft im Auge behalten.

Schot hat den Vorteil, komplett unbelastet von der jüngsten Vergangenheit um manipulierte Dieselmotoren zu sein. Er ist erst im September vorigen Jahres als Vertriebschef in den Audi-Vorstand berufen worden. Zuvor hatte er dieses Ressort bei der VW-Nutzfahrzeugsparte inne, zu der er von Daimler gestoßen war. Als Kandidat für eine langfristige Lösung gilt er dennoch nicht.

Die Inhaftierung Stadlers hat den Konzern und dessen Aufseher offenbar kalt erwischt, obwohl Staatsanwälte wegen der Verwicklungen von Audi in die VW-Abgasaffäre zuletzt die Daumenschrauben immer mehr angezogen hatten. „Das ist wie ein Unwetter aus heiterem Himmel über uns gekommen“, beschreibt ein Insider die Befindlichkeiten in Ingolstadt und Wolfsburg, was wiederum auf eine Wagenburg-Mentalität hinweist. Zudem hatten die bei VW dominierenden Eignerfamilien Porsche und Piech bis zuletzt in Nibelungentreue zu Stadler gestanden.

Was die Stunde geschlagen hat, dürfte auch dieser bis zuletzt kaum begriffen haben. Die Justiz hat konkrete Hinweise, dass der 55-jährige entweder Beweismittel verschwinden lassen oder sich mit Zeugen beziehungsweise anderen Beschuldigten absprechen wollte. Am Dienstag hat Stadler sich mit seinem Anwalt getroffen. Voraussichtlich ab Mittwoch will er gegenüber Staatsanwälten aussagen. Von dem, was er dabei preisgibt, hängt ab, ob er rasch gegen Kaution aus der U-Haft freikommt. Ein ehemaliger Audi-Motorenchef, der in der Diesel-Affäre ebenfalls verdächtigt wird, sitzt bereits seit neun Monaten in München in U-Haft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort