Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs Bitteres Urteil für Bausparer

Frankfurt · Bausparkassen dürfen hoch verzinste Verträge zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündigen. Beobachter rechnen damit, dass weitere Kündigungen folgen werden.

Bausparen ist nicht mit Sparen gleichzusetzen. Bausparer können sich nicht gegen die Kündigung eines alten Bausparvertrags mit hohen Zinsen wehren. Einen solchen Vertrag über mehr als zehn Jahre als reine Sparanlage laufen zu lassen, widerspreche dem Sinn und Zweck des Bausparens, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe in einem Grundsatzurteil (Az. XI ZR 272/16 u. XI ZR 185/16).

Das Ansparen sei dazu gedacht, Anspruch auf ein Darlehen zu erlangen. Dieser Zweck sei mit Erlangen der Zuteilungsreife erreicht, befanden die Richter des XI. Zivilsenats. Deshalb dürfen die Bausparkassen einen Bausparvertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündigen. Sie entschieden damit in zwei Prozessen, die die Bausparkasse Wüstenrot mit gekündigten Kundinnen führte.

Die Bausparkassen hatten seit 2015 in etwa 250.000 Fällen Kündigungen ausgesprochen, in denen die Bausparer ihre alten, recht hoch verzinsten Verträge nur als Geldanlage genutzt hatten, nicht jedoch als Darlehen.

Wüstenrot begründete dies mit einem Gesetz, wonach ein Darlehensnehmer – in diesem Fall die Bausparkasse – einen Vertrag zehn Jahre nach Erhalt des Darlehens grundsätzlich kündigen kann, einerlei was zuvor vereinbart wurde. Der BGH bestätigte diese Rechtsauffassung: Auf Bausparverträge sei Darlehensrecht anzuwenden, denn während der Ansparphase eines Bausparvertrags ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer der Darlehensgeber, heißt es im Urteil. Nach geltendem Darlehensrecht könne ein Darlehensnehmer seinen Vertrag grundsätzlich nach Ablauf von zehn Jahren kündigen.

Das Grundproblem: Bei Abschluss der Bausparverträge sagten die Bausparkassen den Kunden aus heutiger Sicht hohe Guthabenzinsen zu – diese sind inzwischen in der aktuellen Niedrigzinsphase sehr attraktiv. Den Bausparkredit aber fragen die Kunden nicht nach, weil sie den an anderer Stelle günstiger bekommen können. Damit ist die Idee des Bausparens nicht mehr aktuell: Diese lautete, in der Ansparphase kleine Einbußen bei den Sparzinsen in Kauf zu nehmen, dafür aber nach der Zuteilung von günstigen Darlehenszinsen zu profitieren. In einem längerfristigen Bilanzvergleich ist zu erkennen, dass die Bausparkassen im Jahr 2011 knapp zwei Milliarden Euro mehr aus Darlehenszinsen einnahmen, als sie für Guthabenzinsen ausgeben mussten. 2015 lagen die Zinseinnahmen nur noch um knapp 1,5 Milliarden Euro über den Zinsausgaben.

Der Verband der privaten Bausparkassen nannte das Urteil eine „gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes“. Die könne weiterhin auf die Stabilität des Systems vertrauen.

Nun, da die Kündigungen als rechtens erkannt wurden, rechnen Beobachter damit, dass die Bausparkassen auch weitere Verträge kündigen werden, sagte Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen: „Bausparkassen werden nun erst recht auf massenhafte Kündigungen von Bausparverträgen setzen, um Kunden los zu werden.“ Darauf könnten sich die Verbraucher einstellen.

Schon seit Jahren versuchten die Bausparkassen, ihre Altkunden mit noch gut verzinsten Bausparverträgen durch einfache Kündigung des Vertrages „loszuwerden“, sagt Schwarz und rät, sich nicht vorschnell zum Handeln drängen zu lassen und unabhängigen Rat einzuholen. Die Kündigung von voll angesparten Verträgen sei erst der Anfang dieser Entwicklung. Eine neue Variante, so beobachtet er, sei der dringend empfohlene Wechsel in einen anderen, neuen Tarif.

Denn den für die Altverträge noch geltenden Guthabenzins können die Bausparkassen im aktuellen Zinsumfeld nicht erwirtschaften, sie dürfen ihre Vermögen auch nicht überall anlegen. Immerhin können sie seit Beginn dieses Jahres fünf Prozent ihres Vermögens in Aktien investieren – das war ihnen zuvor untersagt.

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