Personalvorstand Martin Seiler im Interview 3000 neue Bahn-Mitarbeiter für NRW

Noch dieses Jahr sollen insgesamt 22.000 neue Mitarbeiter bei der Deutschen Bahn anfangen - 3000 davon in NRW. Personalvorstand Martin Seiler erklärt im Interview, wie diese Zahlen erreicht werden sollen.

 Lokführer sind bei allen Bahn-Unternehmen derzeit Mangelware.

Lokführer sind bei allen Bahn-Unternehmen derzeit Mangelware.

Foto: picture alliance/dpa

Sie haben eine große Offensive bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter für die Deutsche Bahn angekündigt. Wo stehen Sie da im Moment?

Martin Seiler: Wir wollen in den kommenden Jahren 100.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Das ist zum einen wegen der Altersabgänge notwendig, zum anderen ist die Deutsche Bahn ein wachsendes Unternehmen, das neue Felder der Mobilität erschließen will. In diesem Jahr werden 22.000 Mitarbeiter gesucht. Bis Ende Juli konnten wir bereits 18.000 Einstellungszusagen geben. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr unser Ziel erreichen werden. Gefragt sind Mitarbeiter in den klassischen Bahnberufen wie Lokführer, Fahrdienstleiter, Rangierer, Elektroniker und Mechatroniker. Aber auch die Bereiche IT und Digitalisierung spielen bei uns eine immer größere Rolle.

Dabei wird die Konkurrenz um Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt immer stärker.

Seiler: Richtig! Deswegen müssen wir uns bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter auch immer mehr anstrengen und immer wieder neue Ideen entwickeln. Ein Beispiel ist aktuell die große Job-Tour, bei der wir über sieben Wochen an insgesamt 27 Standorten unterwegs sind. Wir gehen zu den großen Plätzen, in die Fußgängerzonen, genau dahin, wo unsere potenziellen Bewerber sind.

Ein Element sind die Wohnwagen, würden sich Eisenbahnwaggons an Bahnhöfen nicht mehr anbieten?

Seiler: Es gab schon Castings direkt an Bahnhöfen und in Zügen, und das machen wir auch weiterhin. Die Wohnwagen haben aber den Vorteil, dass sie sehr flexibel sind und wir so mitten in die Innenstädte kommen können. Vor Ort gibt es viele Infos zur Deutschen Bahn, und in den Wagen finden in geschützter Atmosphäre direkt die Bewerbungsgespräche statt. Das Besondere: Der Bewerber erfährt gleich am Ende des Interviews, ob es geklappt hat oder nicht.

Sie sind seit zwei Wochen mit der Job-Tour unterwegs. Wie ist es bislang gelaufen?

Seiler: Die Tour kommt super an! Ich war bei der ersten Station in Frankfurt am Main dabei. Dort gab es eine Stunde vor Beginn bereits eine 50 Meter lange Warteschlange. Wir konnten insgesamt bislang 2500 Gespräche mit Bewerbern führen. Jetzt bin ich gespannt auf die kommenden Wochen.

Wie sieht die Situation in Köln und Bonn aus?

Seiler: In NRW stellen wir dieses Jahr insgesamt knapp 3000 neue Mitarbeiter ein. Dafür werden wir am 7. und 8. September mit der Job-Tour auch nach Köln kommen. Wir suchen in vielen Bereichen, ein Schwerpunkt liegt bei Servicekräften für die Züge, etwa in der Bordgastronomie. Köln ist ein Knotenpunkt, hier beginnen und enden viele Einsätze im Fernverkehr.

Ist es schwer, Bewerber für diesen Bereich zu finden?

Seiler: Man muss heutzutage immer etwas tun, um seine Stellen zu besetzen. Aber wir haben attraktive Beschäftigungsbedingungen, die für uns sprechen. So bietet die DB viele Vorteile, die Bewerber aus der klassischen Gastronomie interessieren, etwa feste Dienstpläne und pünktliches Gehalt.

Wie viele Ausbildungsplätze konnten Sie in diesem Jahr besetzen?

Seiler: Da liegen wir mit 4200 neuen Auszubildenden auf Rekordniveau. Das sind noch einmal 400 mehr als im Vorjahr. Insgesamt gab es über 100.000 Bewerber für diese Ausbildungsplätze. Die Bahn ist gerade bei jungen Menschen in Zeiten der Diskussionen um Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein attraktiver Arbeitgeber. In Köln konnten wir in dieser Woche knapp 700 neue Auszubildende aus Nordrhein-Westfalen begrüßen.

Dafür muss die Bahn aber auch etwas tun.

Seiler: Wir können als Bahn die Klimaziele und die Verkehrswende nur erreichen, wenn wir uns bei den Mitarbeitern robust und zukunftsfähig aufstellen. Wir brauchen neben mehr Infrastruktur und mehr Fahrzeugen eben auch mehr Personal. Dafür haben wir mit unserer neuen Strategie „Starke Schiene“ jetzt die Weichen gestellt.

Da wirken sich Zugausfälle wegen Personalmangels gerade bei den Lokführern aber negativ aus.

Seiler: Wir stellen auf Rekordniveau ein und bilden massiv aus, um besser zu werden. Natürlich sind Zugausfälle sehr ärgerlich, das sollte nicht vorkommen. Umso wichtiger ist es, dass wir genügend gut ausgebildetes Personal an Bord holen. Über 2000 der gesuchten neuen Mitarbeiter sind Lokführer. Da braucht es aber bis zum ersten Einsatz einen gewissen Vorlauf, denn ausgebildete Lokführer gibt es so gut wie nicht auf dem Arbeitsmarkt. Die Qualifikation über einen Quereinstieg bei uns dauert ein knappes Jahr.

Wie groß ist die Konkurrenz mit anderen Bahnunternehmen wie National Express?

Seiler: Der Fachkräftemangel ist ein Branchenthema. Für uns ist es wichtig, unsere Hausaufgaben bei Ausbildung und Qualifikation zu erledigen. Die Deutsche Bahn kann sich als Arbeitgeber sehen lassen. Wir bezahlen fair und bieten eine gute betriebliche Altersvorsorge. Zudem unterstützen wir Mitarbeiter bei der Wohnungssuche. So gibt es Kooperationsverträge mit den großen Wohnungsbaugesellschaften. Diese verzichten dann zum Beispiel bei unseren Mitarbeitern auf die Kaution. Dazu kommen Mietkostenzuschüsse für unsere Auszubildenden, die wegen ihres Berufs umziehen müssen.

Große Unternehmen wie Ford und Bayer bauen Stellen ab und im Braunkohlerevier wird es große Veränderungen geben. Wie kann die Bahn den Strukturwandel für sich nutzen?

Seiler: Wir werden von Unternehmen, die Jobs abbauen, oft aktiv angesprochen. So waren wir vor Ort bei Ford in Köln oder bei Bayer in Wuppertal, um über die Jobs bei der DB zu informieren. Auch in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen laufen Gespräche, etwa in Cottbus, wo wir ein großes Werk haben, und im Ruhrgebiet. Grundsätzlich gilt: Gut ausgebildete und motivierte Leute sind bei uns immer willkommen.

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