Zivilschutz aus Bonn-Lengsdorf

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beschäftigt in Bonn 344 Mitarbeiter. Es ist auf unterschiedlichstes Fachwissen angewiesen. Architekten, Ingenieure, Biologen und Chemiker arbeiten hier Hand in Hand.

 Architekten, Ingenieure, Biologen, Physiker und Chemiker arbeiten beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn-Lengsdorf Hand in Hand.

Architekten, Ingenieure, Biologen, Physiker und Chemiker arbeiten beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn-Lengsdorf Hand in Hand.

Foto: Volker Lannert

Bonn. Eine der vorderen Seiten der Telefonbücher war noch bis vor zehn Jahren mit Strichen und Wellenlinien bedruckt. Sie erklärten die auf- und abschwellenden Heultöne und Dauertöne, die damals noch in schöner Regelmäßigkeit zu hören waren. Überhören konnte man sie nicht, immerhin 80 000 Sirenen waren über ganz Deutschland verteilt und machten durch überlaute Probealarme auf sich aufmerksam.

Die Heuler wurden längst von den Häusern geholt, die neuen Techniken haben sie entbehrlich gemacht. Nur rund um Benzinlager, Chemiefabriken und Atomkraftwerke wollte man auf sie nicht verzichten. Wenn sie ertönen, sollten schleunigst Fenster und Türen geschlossen werden - Gefahr droht!

Für die allgemeine Warnung der Bevölkerung vor Gefahren aller Art ist der Bundesinnenminister verantwortlich. Er hat diese Aufgabe und die Organisation von Hilfsmaßnahmen bei Katastrophen dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn übertragen. "Wir leisten unseren Beitrag zur Verhinderung, zur Prävention und Vorsorge, zur Reaktion und Bewältigung von Katastrophen", zitiert Behördensprecherin Ursula Fuchs den Jahresbericht des BBK.

Das Amt muss etwa tätig werden, wenn sich in Deutschland kaum noch etwas bewegt, weil - wie im vergangenen Winter - Flughäfen geschlossen werden und wegen Eis, Schnee und Stürmen Lastwagen nicht fahren können und sogar Züge im Schnee stecken bleiben. Stillstand darf es nicht geben. Auch das Hochwasser - wie im vergangenen Jahr an Oder und Neiße - beschäftigte viele Mitarbeiter des Bonner Amtes.

Die Bundesrepublik Deutschland hilft anderen Ländern, die von Naturkatastrophen heimgesucht werden. Das Amt war deshalb gefordert, als in Haiti die Erde bebte, als große Teile von Pakistan überflutet waren oder viele hundert Quadratkilometer Wald in Russland brannten.

Katastrophenschutz war früher vor allem Luftschutz. Der wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr gebraucht. Dann aber, nachdem der "kalte Krieg" mehrfach zu einem "heißen Krieg" zu eskalieren drohte, beschloss die Bundesregierung 1953 die Gründung einer neuen "Bundesanstalt für den zivilen Luftschutz", die sich auch gleich daran machte, den Deutschen zu erklären, wie sie sich im Falle eines Bombenangriffs schützen könnten.

Dass vorgeschlagen wurde, sich bei einem Atombombenangriff auf den Boden zu werfen und mit einer Aktentasche den Kopf zu schützen, verwundert heute. Damals aber wusste man es wohl noch nicht besser.

Das Zivilschutzamt wurde mehrfach umorganisiert und erhielt jedes Mal einen anderen Namen, bis sich schließlich die Kostenrechner des Bundes dafür interessierten. Sie erklärten den kalten Krieg für beendet und sahen ringsum keine Feinde, weshalb sie bestimmten, das "Bundesamt für Zivilschutz", wie die Bonner Behörde inzwischen hieß, sei entbehrlich - das dafür eingeplante Geld könne man sparen. Zum Jahreswechsel 1999 räumten entsprechend die letzten Mitarbeiter ihre Schreibtische im Amt.

Dabei wäre es wohl geblieben, hätten nicht Terroristen am 11. September 2001 in New York die Türme des World Trade Centers zum Einsturz gebracht, und wäre das Elbehochwasser von 2002 glimpflicher verlaufen. Jetzt erkannten die Politiker, dass die Bundesrepublik auf den Terror und für Naturkatastrophen unzureichend vorbereitet war. Eine obere Bundesbehörde zum Schutz der Menschen vor Großgefahren musste neu gegründet werden - sie sollte auch helfen, mögliche Anstrengungen der Länder in der Katastrophenhilfe einvernehmlich zu bündeln.

Flutwellen und Waldbrände stoppen bekanntlich nicht an den Grenzen der Bundesländer. Im BBK gibt es 262 Planstellen, die sich 344 Mitarbeiter teilen. Dass es mehr Beschäftigte als Stellen gibt, erklärt sich durch die Teilzeitarbeit und die dazugehörigen Stellenteilungen. Das zum 1. Mai 2004 wieder neu gegründete Amt muss für Mitarbeiter attraktiv sein. Schließlich ist es auf unterschiedlichstes Fachwissen angewiesen. Architekten, Ingenieure, Biologen und Chemiker arbeiten hier Hand in Hand.

Physiker beschäftigen sich mit den Risiken, die von der Atomwirtschaft ausgehen und der Frage, was passiert, wenn Nuklearmaterial in falsche Hände gerät. Die Oberbehörde BBK arbeitet mit der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk zusammen und teilt sich mit ihr das Dienstgebäude. Die Kooperation spart Verwaltungskosten, und auch Einrichtungen können gemeinsam genutzt werden. Das passt, THW- Leute sind die oft ehrenamtlichen Praktiker, die zupacken, wenn Dämme nicht mehr halten oder Wälder brennen.

Auch wenn Sirenen abgeschafft sind, wenn es gefährlich wird, muss die Bevölkerung gewarnt werden. Dafür werden nun satellitengestützte Systeme genutzt, und bald könnten auch die Handys Gefahren anzeigen. Da es in Deutschland mehr Handys als Einwohner gibt, wird daran gearbeitet, per SMS oder Automatikanrufen alle betroffenen Handybesitzer vor akuten Gefahrensituationen zu warnen.

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