GA-Interview mit Martin Seiler, Personalgeschäftsführer bei Telekom Deutschland „Wir sind ja seit Jahren in einem Umbauprozess“

Martin Seiler ist als Personalgeschäftsführer verantwortlich für rund 66 000 Telekom-Deutschland-Mitarbeiter. Das Deutschlandgeschäft der Telekom steht gerade am Beginn einer großen Umstrukturierung. Fast jeder dritte Mitarbeiter wird einer einer neuen Einheit zugeordnet, vor allem um die Servicequalität zu verbessern. Mit Seiler sprach Claudia Mahnke.

 Martin Seiler, Personalgeschäftsführer bei Telekom Deutschland.

Martin Seiler, Personalgeschäftsführer bei Telekom Deutschland.

Foto: Telekom

„Einfach anders“ heißt das Programm zur Umstrukturierung bei Telekom Deutschland. Wie einfach ist es für den Personalgeschäftsführer?

Martin Seiler: Es ist ein großes Umbauprogramm und deshalb eine große Herausforderung. Wir wollen die Umstrukturierung natürlich so reibungslos wie möglich gestalten und alle Mitarbeiter auf dem Weg mitnehmen.

Das Programm sieht tiefgreifende Veränderungen der Unternehmensstrukturen innerhalb Deutschlands vor. Wie geht man das an?

Seiler: Von Anfang an haben wir alle Beteiligten einbezogen. Die Transformation haben wir jetzt ein Jahr vorbereitet. In erster Linie verändern wir uns ja, um Verbesserungen für die Kunden zu erzielen. Als Geschäftsführer sind wir in Expertenrunden gegangen, um zu hören, wo sich in Prozessen oder an Schnittstellen etwas ändern lässt. Genauso wichtig ist, immer gut zu kommunizieren. Über alle anstehenden Veränderungen haben wir in unserem Intranet informiert. Auf unseren Leitfaden mit ganz praktischen Tipps hatten wir innerhalb einer Woche mehr als 30 000 Zugriffe. Wichtig war auch die gute Zusammenarbeit mit dem Sozialpartner. Da sind wir neue Wege gegangen. Wir haben uns frühzeitig auf Eckpunkte verständigt.

Wie viele der 66 000 Mitarbeiter werden einer neuen Organisationseinheit zugeordnet?

Seiler: Wir haben am 1. Juli-Wochenende 20000 Mitarbeiter in unseren Systemen auf ihre neuen Stellen eingebucht. Zum 1. Januar 2018 gibt es weitere Schritte bei Service-Mitarbeitern und im Geschäftskundenvertrieb.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten künftig in einer anderen Stadt?

Seiler: Vorneweg: mit dem Umbau sind keine Standortschließungen verbunden. 500 Mitarbeiter arbeiten künftig in einer anderer Stadt, weil ihre Aufgaben regional gebündelt werden. Als Alternative werden andere Arbeitsplätze vor Ort angeboten. Wir haben ja 40 Standorte in ganz Deutschland.

Konzernspitze und Gewerkschaft haben sich auf ein neues Modell flexibler Arbeitszeiten für die Servicemitarbeiter geeinigt. So kann die wöchentliche Arbeitszeit ab kommendem Jahr für einen bestimmten Zeitraum um bis zu vier Stunden erhöht werden. Die Beschäftigten erhalten dafür Lohn- oder Freizeitausgleich. Wie stark wird das in Anspruch genommen?

Seiler: Im Moment gibt es die längere Wochenarbeitszeit in der Technik, weil dort zum Beispiel durch den Breitbandausbau viel zu tun ist. Bei Belangen der Arbeitszeit geht es darum, da zu sein, wenn die Kunden uns brauchen und dabei auch die Belange der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Da wollen wir noch mehr flexible Modelle entwickeln.

Beruht die längere Arbeitszeit auf freiwilligen Entscheidungen der Mitarbeiter oder wird es für bestimmte Abteilungen festgelegt?

Seiler: Wir haben die Vereinbarung, dass die Arbeitszeit nur in den Bereichen verlängern, wo es notwendig ist und beschränken es zeitlich auf einige Monate. Dann gilt es für alle Mitarbeiter in dem Bereich.

2016 ist die Zahl der Telekom-Deutschland-Mitarbeiter von 2015 68 638 auf 66 142 gesunken. Wie wird sich die Zahl 2017 entwickeln?

Seiler: Wir sind ja bereits seit vielen Jahren in einem kontinuierlichen Umbauprozess. Tendenziell werden wir etwas weniger. Gleichzeitig machen wir große Re-Qualifizierungsprogramme für unsere Mitarbeiter, um sie für neue Anforderungen zu schulen. Und wir stellen junge Nachwuchskräfte ein. Aber unter dem Strich wird die Mitarbeiterzahl leicht sinken.

Lag die sinkende Mitarbeiterzahl an den regulären Vorruhestandsmöglichkeiten für Beamte, die es im vergangenen Jahr noch gab?

Seiler: Das war nur ein Teil. In der Telekom sind alle Möglichkeiten sozial verträglich gestaltet.

Wie steht es um die Weiterbildung? Nutzen genügend Mitarbeiter die Möglichkeiten?

Seiler: In der Weiterbildung sind wir sehr umfassend unterwegs. Im Durchschnitt qualifizieren wir jeden Mitarbeiter rund vier Tage im Jahr. Dafür wenden wir jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag auf. Wir stehen in der Weiterbildung auch für einem Paradigmenwechsel. Mitarbeiter sollte bewusst sein, dass sie sich up to date halten müssen. Weiterbildung findet heute oft zeitlich verteilt statt, nicht mehr im Block. Auch hier gehen wir neue Wege und gestalten die Qualifizierung zunehmend digital.

Grundsätzlich ist die Bereitschaft zur Weiterbildung aber groß genug?

Seiler: Wir müssen schon immer wieder das Bewusstsein dafür schaffen. Da sind die Führungskräfte gefragt.

Wie entwickelt sich die Ausbildung bei Telekom Deutschland?

Seiler: Die Weichen für eine zukunftsorientierte Ausbildung haben wir ja sehr frühzeitig gestellt. Mit den Sozialpartnern haben wir einen Ausbildungspakt geschlossen. Jedes Jahr stellen wir 2200 Auszubildende und Studierende ein.

In welchen Berufen gibt es mehr, wo weniger Azubis?

Seiler: Einen größeren Bedarf haben wird in modernen Ausbildungsberufen, die technik- oder IT-orientiert sind. Das ist beim dualen Studium genauso. Im kaufmännischen Bereich geht der Nachwuchsbedarf eher nach unten. Mit dem neuen Ausbildungskonzept legen wir die Grundlage für lebenslanges Lernen. Das wird immer wichtiger. Auch unternehmerische Elemente kommen hinzu. Was heute in die Tiefe gelehrt wird, wird nicht für die gesamte Berufszeit das Richtige sein. Deshalb kommt es auf eine breite Basis bei der Ausbildung an.

Wie sieht der Bonner Standort am Landgrabenweg in fünf Jahren aus?

Seiler: Die Veränderungen werden sich natürlich auch in den Arbeitsbedingungen widerspiegeln. Ein Element sind unsere offenen Bürolandschaften. Sie sollen so gestaltet sein, dass eine unmittelbare Kommunikation möglich ist. Das Umfeld soll Motivation und Spaß an der Arbeit erlauben. Das setzen wir auch am Landgrabenweg schrittweise um. In neueren Gebäudeteil haben wir ja schon immer offene Bürolandschaften.

Es ist mit den Gewerkschaften der Weg zur konzernweit einheitlichen Bezahlung verabredet worden. Wie weit ist der Prozess?

Seiler: Wir sind planmäßig unterwegs. Ein erster großer Teil ist im Mai abgeschlossen worden: Zum 1. Januar 2018 wird zum Beispiel das Bezahlungssystem im Privatkundenvertrieb vereinheitlicht.

Die Möglichkeit des „engagierten Ruhestands“ für Beamte ist vom Bundestag beschlossen. Was ist noch zu klären, damit Beamte aus ihrem Haus - kombiniert mit ehrenamtlichen Engagement - in den Vorruhestand gehen können?

Seiler: Nach Verkündung des Gesetzes, werden wir mit den Planungen beginnen. 2018 wollen wir hausintern die Möglichkeit dafür schaffen. Es fehlen aber noch die Ausführungsbestimmungen.

Gibt es bei Telekom Deutschland Personalüberhang, also Beschäftigte, für die es bei normaler Bezahlung keine Aufgabe gibt?

Seiler: In der Telekom Deutschland selbst haben wir keinen Personalüberhang. Alle Mitarbeiter sind produktiv eingesetzt.

Und durch den Umbau ist auch keiner zu erwarten?

Seiler: Das ist eine kontinuierliche Aufgabe. Wir haben eine kleine Einheit gebildet, die sich rechtzeitig mit diesen Fragen beschäftigt. Bei Veränderungen müssen wir natürlich immer sehen, wie wir den personalwirtschaftlichen Dreiklang aus Abbau, Re-Qualifizierung und Know-how-Verstärkung durch neues Personal hinbekommen.

Stichwort Fehlerkultur: Wie schafft man eine Arbeitswelt, in der Mitarbeiter sich trauen, neu Dinge anzupacken, wozu dann natürlich auch Fehler gehören können?

Seiler: Wir haben tolle Mitarbeiter, die motiviert sind, jeden Tag das Beste zu geben. In Sachen Fehlerkultur sind natürlich in erster Linie die Führungskräfte gefragt. Es geht darum, neue Strukturen mit Leben zu erfüllen und jeden Tag in einem konstruktiven Dialog zu sein. Alle müssen bereit sein, sich weiterzuentwickeln. Aber: Es ist normal, Fehler zu machen. Davor muss keiner Angst haben.

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