Unseriöse Abmahnungen Wie die Petition einer Bonnerin Gesetz wird

Berlin · Sie kämpft für Veränderungen beim Wettbewerbsrecht: In der Auseinandersetzung mit unseriösen Abmahnvereinen könnte die Bonner Unternehmerin Vera Dietrich bald Erfolg haben.

Kurz vor Beginn der Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag macht dessen Vorsitzender Marian Wendt dem wichtigsten Gast noch einmal Mut. „Sie schaffen das schon“, ermuntert der CDU-Politiker die Bonner Unternehmerin Vera Dietrich, deren Eingabe an diesem Montag diskutiert wurde. In den folgenden fünf Minuten erläutert die Online-Händlerin den Abgeordneten die Gründe für ihre Petition, die unseriösen Abmahnvereinen das Handwerk legen soll. „Das ist ein Problem, mit dem sich viele Unternehmen von der Politik seit Jahren alleingelassen fühlen“, sagt die studierte Volkswirtin. Auch dank ihrer Eingabe wird sich dies bald ändern.

Suche nach dem Formfehler

Es geht um eine Praxis im Wettbewerbsrecht. Wenn ein Konkurrent einen Formfehler, zum Beispiel bei Formulierungen auf der Homepage findet, darf er dies abmahnen. Doch diese Fehler nutzen auch unseriöse Vereine oder Anwälte anscheinend aus, um damit Geld zu verdienen. Denn mit der Abmahnung sind in der Regel Anwaltskosten sowie eine Unterlassungserklärung verbunden, die bei erneuten Verstößen eine Strafzahlung vorsieht. So könne schnell ein fünfstelliger Betrag zusammenkommen, rechnet Dietrich dem Ausschuss vor. Der Nachweis, dass hier ein Missbrauch des geltenden Rechts vorgenommen wird, könne kaum erbracht werden. Denn die Abmahner müssen erst einmal nicht preisgeben, für welchen Wettbewerber sie die Forderung stellen.

Justizministerium bestätigt den Missstand

Genaue Zahlen über das Unwesen liegen auch der Bundesregierung nicht vor. Doch das Problem ist bekannt. Und Dietrichs Anliegen wird wohl auch bald vom Bundesjustizministerium (BMJV) in eine Gesetzesänderung münden. „In der letzten Zeit haben missbräuchliche Abmahnungen zugenommen“, bestätigt der zuständige Abteilungsleiter im BMJV, Christoph Ernst, den Missstand. Ein Gesetzentwurf werde nun vorbereitet. Konkret geht es dabei zum Beispiel darum, den sogenannten fliegenden Gerichtsstand aufzuheben. Bisher darf überall in Deutschland gegen Wettbewerbsverstöße im Internet geklagt werden. Das erhöht die Kosten für die Betroffenen und kann auch die Chancen der Kläger vor Gericht erhöhen.

Deckelung der Anwaltskosten

Im Gespräch ist auch eine Deckelung der Rechtsanwaltskosten für eine Abmahnung. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schlägt in einem eigenen Konzept eine Obergrenze von 100 Euro vor. Der Verband will außerdem eine weitere Änderung, die Abmahnvereinen die Abzocke verleiden würde. Vertragsstrafen aus Unterlassungserklärungen sollen nach dem Willen des DIHK in die Staatskasse fließen und nicht an den Kläger. Inwieweit diese Vorschläge auch Gehör im BMJV finden, ließ Ernst offen.

Datenschutz-Verordnung anfällig für Fehler

Die Umsetzung der umfangreichen Anforderungen der neuen Datenschutz-Grundverordnung hat für eine breite Diskussion über das Abmahnwesen gesorgt. Fehler in den Datenschutzerklärungen der Firmen im Internet könnten von Abzockern gezielt genutzt werden. Doch diese Befürchtung hat sich laut Ernst bisher nicht bestätigt. Sollte sich dies ändern, könnte die Bundesregierung schnell eine Notbremse ziehen. Das Nachbarland Österreich hat es schon vorgemacht. Dort dürfen Unternehmen zwar abgemahnt, dies aber in den ersten vier Monaten nicht mit Kosten verbunden werden. Diese Option werde in der Koalition diskutiert, warnt Ernst die schwarzen Schafe der Branche.

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