Nullzinspolitik der EZB Wege aus der Strafzinsfalle

KÖLN · Sparen lohnt sich nicht mehr. Daran ist die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank Schuld. Nun droht die Notenbank sogar mit Strafzinsen. Noch treffen sie nur Unternehmen.

 Sparern drohen nun Strafzinsen für Einlagen.

Sparern drohen nun Strafzinsen für Einlagen.

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Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat nicht nur das Sparbuch unattraktiv gemacht, nun drohen sogar Strafzinsen für Einlagen. Mit dieser Maßnahme will die Notenbank die Kreditvergabe anregen.

Denn nach wie vor gibt es ein Missverhältnis zwischen Ersparnisbildung und Kreditnachfrage. Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), beziffert den Einlagenüberhang allein für seine Bankengruppe mit 100 Milliarden Euro. Für diesen Betrag finden sich keine akzeptablen Kreditnehmer, er muss anderweitig angelegt werden.

Die EZB erhebt dafür einen Strafzins von 0,4 Prozent. Allerdings, so erläutert Steffen Steudel vom BVR, nur für jederzeit fälliges Geld („Übernacht-Liquidität“). Für Termineinlagen der Banken bei ihr berechne die Zentralbank keine Strafzinsen. Das spiegelt sich in etwa im Verhalten der Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden.

Von Strafzinsen bis zu 0,4 Prozent bedroht sind demnach hohe Beträge auf Giro- und Tagesgeldkonten von Unternehmen und institutionellen Anlegern, nicht aber Termineinlagen mit einer Mindestlaufzeit. Im Köln-Bonner Raum tätige Institute erklären mehr oder weniger eindeutig, bisher belaste man Privatkunden nicht mit „Verwahr-Entgelten“, wohl aber Firmenkunden und institutionelle Anleger, die einen hohen Liquiditätsbedarf haben und daher viel Geld in täglich fälligen Einlagen parken müssen.

Alle Banken versichern, man berate, wie sich Strafzinsen durch eine alternative Anlage vermeiden ließen. Die Kölner Bank sagt, wenn ein Unternehmen oder ein institutioneller Anleger Geld für mindestens 35 Tage oder sechs Monate festlege, seien keine Verwahr-Entgelte nötig, dann könne man anders rechnen als bei täglich fälligen Guthaben.

„Das klassische Banksparen hat immer noch die größte Bedeutung“

Bei der Kreissparkasse Köln sind Kapitalgesellschaften und Versicherungen mit sehr hohen Liquiditätsüberschüssen Entgelt-Kandidaten, für die Sparkasse Köln-Bonn größere Einleger im Millionenbereich, wozu auch sehr vermögende Privatkunden gehören können. Die Volksbank Bonn Rhein-Sieg erklärt, bei siebenstelligen Einlagen institutioneller Kunden treffe man Einzelfallentscheidungen. Wilhelm Wester, Sprecher der Bank, weiß aber auch die Verschonung privater Kunden einzuordnen: Für alle Zukunft sei das nicht garantiert.

Viele Deutsche haben ihr Anlageverhalten bisher nicht verändert, obwohl Zinssätze von 0,00 oder 0,01 Prozent bei Sparkonten keine Seltenheit sind, bei täglich verfügbaren Tagesgeldern sieht es – abgesehen von vereinzelten Lockangeboten – kaum besser aus. Nach jüngsten Zahlen der Bundesbank sind Bargeld und Einlagen bei Banken mit gut 2091 Milliarden Euro nach wie vor der größte Posten des Geldvermögens der privaten Haushalte – sogar mit steigender Tendenz. Aktien machten zum Ende des ersten Quartals 2016 nur rund 545 Milliarden Euro der insgesamt 5339 Milliarden Euro an Vermögen aus.

„Das klassische Banksparen hat immer noch die größte Bedeutung“, stellt Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), fest.

Auch die Sparquote in Deutschland – also das Verhältnis von Erspartem und verfügbarem Einkommen – lag im ersten Halbjahr 2016 stabil bei 9,7 Prozent. „Das ist etwa auf der Höhe des langjährigen Durchschnitts“, so Martin. „Die Bundesbürger lassen sich hier nicht beirren und sehen eben die Notwendigkeit, auch weiterhin Geld zur Seite zu legen.“

Kritiker werfen der EZB vor, Sparer zu enteignen – ausgerechnet in Zeiten, in denen eine private Altersvorsorge immer wichtiger wird. Die Bundesbank mahnte wiederholt dennoch zu einer ausgewogeneren Analyse: „Wir alle sind (...) nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer – und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ“, so ihr Präsident Jens Weidmann.

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