Energie im Wandel Warten auf den Durchbruch

Bonn · Energiespeicher gelten zurzeit als unwirtschaftlich, weil entsprechende Rahmenbedingungen fehlen. Bürgerproteste gelten als Hemmschuh der deutschen Energiewende.

Eigentlich sollten dieses Jahr schwere Baufahrzeuge anrollen und die Idylle des beschaulichen Rurstausees in der Eifel stören. Wo zwischen grün bewaldeten Ufern Segelboote auf der blauen Oberfläche tanzen, sollte ab 2016 das größte Pumpspeicherkraftwerk Nordrhein-Westfalens entstehen und 2020 fertiggestellt werden. Ein solches Speicherkraftwerk speichert elektrische Energie, indem Wasser bergauf gepumpt wird. Bei Bedarf lässt man das Wasser wieder bergab fließen und treibt so Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung an. Solche Speicher werden gebraucht, um die Schwankungen auszugleichen, die die Stromerzeugung mit Windrädern und Solaranlagen mit sich bringt.

Mit 640 Megawatt hätte das Kraftwerk am Rursee soviel Leistung gehabt wie ein kleiner Kernkraftreaktor. Doch die Bagger und Lastwagen und all das schwere Gerät sind nie angerückt. 2013 hatte das Energieunternehmen Trianel das Bauprojekt eingestampft, nachdem Bürgerproteste sich dagegen gewehrt hatten. „Wir haben das Projekt dann aufgrund fehlender Unterstützung aus der Politik zurückgezogen“, sagt Unternehmenssprecher Elmar Thyen.

Bürgerproteste gelten als Hemmschuh der deutschen Energiewende, weil sie bundesweit den Ausbau von notwendigen Stromleitungen und Speicherkraftwerken verzögert oder verhindert haben. Beim Netzausbau setzt die Bundesregierung deshalb inzwischen auf Erdkabel statt Überlandleitungen – was zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe mit sich bringt. Doch bei den Energiespeichern fühlt sich die Industrie vor allem von der Politik ausgebremst, weil die Speicher im Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie im Kraft-Wäme-Kopplung-Gesetz (KWKG) als Endverbraucher eingestuft werden, wofür die Betreiber entsprechende Umlagen bezahlen müssen. „Das führt dazu, dass Speicher jeder Art zurzeit unwirtschaftlich sind“, sagt Thyen. Zudem würden die Unternehmen vor den hohen Investitionen zurückschrecken, weil das Vertrauen in die Energiepolitik fehle. „Solche Investitionen sind nicht für wenige Jahre sondern auf Jahrzehnte angelegt“, so Thyen.

Ähnlich äußert sich der Bundesverband Energiespeicher (BVES). „Die Speichertechnologien sind reif für den Markt, aber die Rahmenbedingungen sind es nicht“, sagt dessen Geschäftsführer Urban Windelen. „Wir wollen keine Subventionen sondern bessere Rahmenbedingungen.“ Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert seit 2012 rund 250 Projekte im Bereich Energiespeicher mit 200 Millionen Euro. Auf Nachfrage teilte das Ministerium mit: Stromspeicher würden zwar als Letztverbraucher gelten, gegenüber anderen Letztverbrauchern aber unterschiedliche Privilegien, etwa in Bezug auf die Netzentgelte, genießen. Dennoch: Speicher und andere Optionen, die den Strommarkt flexibel machen, wie etwa der Ausbau der Stromnetze, sollen laut BMWi in möglichst gleichberechtigtem Wettbewerb zueinander stehen.

„Speichern kommt insoweit keine Sonderrolle zu.“ Immerhin ist die Bundesregierung der Branche inzwischen entgegengekommen und hat am vergangenen Mittwoch bei der Neuregelung des KWKG eingelenkt. für Stromspeicher soll eineF ermäßigte KWK-Umlage eingeführt werden. Die Branche sieht den Markt für Energiespeicher in Zukunft derweil rosiger. „Speicher werden im Laufe der Zeit immer wichtiger“, ist sich Thyen sicher. Wolle Deutschland seine Klimaziele bis 2050 einhalten, werde es keinen Weg daran vorbei geben. Zwei große Trends sind es, welche die Branche auf sich zukommen sieht. Zum einen werde das Thema „Power-to-gas“, die Umwandlung elektrischer Energie in Wasserstoff oder Methan, eine immer größere Rolle spielen.

„Die Technologie ist prinzipiell da, sie kommt aber bislang nicht flächendeckend zum Einsatz“, sagt Stefanie Meilinger, die als Professorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zu nachhaltiger Entwicklung erneuerbarer Energien forscht. Doch die Speicherung von Wasserstoff sei noch sehr teuer und aufwendig. Auch die niedrigen Wirkungsgrade von 30 bis 40 Prozent bei der Umwandlung von Strom zu Gas und wieder zurück zu Strom stehen der Technologie als Energiespeicher noch im Weg. Die Industrie rechnet deshalb damit, dass sich Power-to-gas nicht vor 2040 durchsetzt. Allerdings könne sie schon vorher eine Rolle spielen, falls sich die Brennstoffzelle als mobiler Antrieb in Fahrzeugen durchsetzt.

Den zweiten Trend sehen Industrie und Forschung in der Entstehung dezentraler Stromnetze. „Das Thema, auf das jetzt alle aufspringen, lautet Batterien“, sagt BVES-Geschäftsführer Windelen. In Deutschland haben demnach rund 1,5 Millionen Haushalte Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern installiert, die künftig aus der Einspeisevergütung fallen. Dann sei es wirtschaftlich sinnvoller für die Besitzer, den selbst produzierten Strom auch selbst zu verbrauchen und dazu seien Hausbatterien ideal. Windelen prognostiziert deshalb, dass bis 2020 170 000 bis 200 000 Batteriespeicher in deutschen Haushalten hinzukommen werden. „Wir sehen, dass hier in naher Zukunft ein Massenmarkt entsteht“, so Windelen.

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