Systemgastronomie in Bonn Vom Sternerestaurant zur Pastakette Vapiano

Bonn · Mario Pretzer ist Koch und entwickelt neue Gerichte für die Bonner Pastakette Vapiano. Das Auswahlverfahren, was auf die Speisekarte kommt, ist streng. Nur ein Drittel seiner Gerichte landet später auch auf dem Teller.

Mario Pretzer kann Essen denken. Eine Fähigkeit, die ein guter Koch oder Produktentwickler in seinen Augen unbedingt haben muss. Er kann sich ein Rezept vorstellen, ohne es zu kochen. Oder anders gesagt, wenn er Zutaten hört, dann fällt ihm ein, was geschmacklich gut dazu passen könnte, ohne es auszuprobieren. Fast als habe er bereits den Geschmack im Mund.

„Das ist wie ein Blinder, der sein Gehör verstärkt“, erklärt der Entwicklungskoch. Seit fast einem Jahr konzipiert Pretzer neue Rezepte für die Bonner Pizza- und Pastakette Vapiano. Dabei kommen ihm viele Ideen, auch wenn er selbst in seiner Freizeit in anderen Restaurants essen geht. Oft überlegt er, wie sich bestimmte Ideen oder Gerichte adaptieren lassen. Er hält ständig Augen und Ohren offen und ist immer auf der Suche nach neuen Trends. Vieles seiner Arbeit ist theoretisch und passiert im Kopf. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, geht es an den Kochtopf.

Dort geht dann alles zack zack. „Wenn wir jetzt kochen, dauert das zwei Minuten“, kündigt er an – quasi In Echtzeit, so wie ein Mitarbeiter das bei Vapiano auch können muss, wenn die Kunden vor der Theke auf ihre Pasta warten. Pretzer wuselt hinter der Theke hin und her, schnappt sich den Wok und legt los. Schwungvoll gießt er das Olivenöl kreisförmig in den Wok.Kurz heiß werden lassen.

Dann gibt er die exakt abgezählten Stücke Rindfleisch dazu. Später folgen für die Soße eine Drittelschaufel Zwiebeln, acht Viertel Kirchtomaten und eine gute Handvoll Spinat. Alles ist genau abgezählt und leicht portionierbar. Ein wichtiger Punkt für die Entwicklung seiner Rezepte: „Wer weiß schon, wie viel 200 Gramm Fleisch sind, ohne es zu wiegen?“, erklärt er. Die Vapiano-Mitarbeiter brauchen Angaben, nach denen sie in kürzester Zeit kochen können.

Doch bevor ein neues Rezept bei den Gästen im tiefen Pastateller landet, dauert es Monate. Wenn Pretzer eine ausgereifte Idee hat, finden zunächst Testessen statt, die „Tastings“, wie Vapiano sie nennt. Die 20 Testesser sind meist Mitarbeiter aus der Verwaltung, die geschult sind, geschmacklich zu entscheiden. „Dabei geht es nicht darum, was schmeckt mir, sondern wie schmeckt das Gericht“, erklärt der Entwicklungskoch. Bei speziellen Themen wie beispielsweise veganen Gerichten lädt das Unternehmen aber auch schon mal Gäste ein. „Deren Beurteilung ist uns in diesem Moment wichtig.“

Die Testesser bewerten die Gerichte nach einem Zehnpunktesystem, wobei zehn das beste Ergebnis ist. Die Auswahl ist streng. Nur etwa ein Drittel seiner Rezeptvorschläge schafft es letztendlich auf die Karte, erklärt Pretzer: „Nur die Gerichte, die eine Durchschnittsnote von acht Punkten schaffen, kommen in die engere Auswahl.“ Doch Kritik und Perfektionismus ist der erfahrene Koch nach etlichen Jahren in der Küche gewöhnt.

Mit 16 Jahren begann er seine Ausbildung in einem Sternerestaurant an der Ahr. Nach verschiedenen Stationen wurde er schließlich Sous-Chef in einem Michelin-Zwei-Sterne-Restaurant in der Eifel. Dann machte er sich mit seinem eigenen Laden selbstständig. 2012 heuerte er in der Küche bei Vapiano an, anfangs als Restaurantleiter in Koblenz.

Seit Beginn des vergangenen Jahres kreiert er neue Gerichte für das Bonner Unternehmen. Systemgastronomie statt Selbstständigkeit? Für Pretzer hat das vor allem einen Vorteil: „Hier kann ich endlich meinen Beruf wieder ausüben, den ich sehr liebe: das Kochen. Das ist in der Selbstständigkeit etwas verloren gegangen.“ Als Chef nimmt Organisation irgendwann überhand.

Die Testesser bei Vapiano probieren die Gerichte in der Regel rund sechs Monate vor den Kunden. Die Restaurants werden über Neuheiten rund sechs Wochen vor Start informiert. Vier Wochen vorher fangen die Vapiano-Mitarbeiter an zu üben. „Es gibt Trainer, die den Vapianisti die Rezepte beibringen“, erklärt Pretzer. Am Ende gibt es eine „Abnahme“, ob der Mitarbeiter auch alles aus dem Effeff beherrscht.

Pretzer selbst hält sich sogar manchmal am heimischen Herd an die Vapiano-Vorgaben: „Wenn es mal schnell gehen muss, mache ich das schon mal.“ Sein Lieblingsessen hat allerdings mit Pizza und Pasta wenig zu tun: Kalbsleber in Butter gebraten. „Aber ich mag auch die japanische Küche. Ich mag den Purismus. Frische Produkte mit nicht viel.“

Einfach in der Zubereitung müssen auch die Gerichte bei Vapiano sein. Nur so schaffen sie es in wenigen Minuten auf den Teller. Keine langen Garzeiten oder langwierige Vorbereitungen. Pretzer schnappt den Wok und schiebt die Pasta mit Rindfleisch, Feigen, Babyspinat und Gorgonzola vorsichtig auf den Teller. Das Gericht vor ihm ist neu, steht noch nicht Mal auf der Speiskarte. Was es als nächstes gibt? Pretzer grinst. Auch wenn er nichts sagt, im Kopf schmeckt er schon mal vor.

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