Geschäfte wieder geöffnet Viele Einzelhändler in Bonn und der Region sind pessimistisch

Bonn · Es wird noch lange keine Rückkehr zur Normalität im Handel geben. Dabei leiden die Geschäfte je nach Sortiment unterschiedlich schwer.

Abstand halten und Schlange stehen, damit nicht zu viele Kunden gleichzeitig im Geschäft sind: Am Mittwoch vor Mediamarkt in Bonn.

Abstand halten und Schlange stehen, damit nicht zu viele Kunden gleichzeitig im Geschäft sind: Am Mittwoch vor Mediamarkt in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

„Bleib stark. Kauf vor Ort!“ lautet die Kampagne, die der Verein City-Marketing Bonn während der Corona-Krise ins Leben gerufen hat. Der Aufruf, der als Plakat in Schaufenstern hängt und in den sozialen Netzwerken verbreitet wird, richtet sich an die Kunden, die davon abgehalten werden sollen, ihren Bedarf im Internet vorzugsweise bei den großen Online-Händlern zu decken.

Seit vergangener Woche haben viele Einzelhandelsgeschäfte erstmals seit Wochen wieder geöffnet, die wegen der Pandemie schließen mussten. Allenfalls Lieferungen an die Kunden waren den Händlern erlaubt. „Wir sind jetzt an dem Punkt, dass allen klar wird: Wir müssen online präsent sein“, berichtet Maike Reinhardt, Geschäftsführerin von City-Marketing, am Mittwoch. Ihren knapp hundert Mitgliedsunternehmen bietet eine Agentur in Corona-Zeiten für drei Monate kostenlose Beratung rund um einen professionellen Online-Auftritt an.

38 Prozent der Einzelhändler sehen eigene Existenz bedroht

Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen aus der vergangenen Woche sehen sich 38 Prozent der Einzelhändler von einer Insolvenz bedroht. Einige haben bereits ein Schutzschirmverfahren eröffnet wie Galeria Karstadt Kaufhof und das Modehaus Sinn (der GA berichtete).

Aber es sehen nicht alle schwarz: Das Haushalts- und Einrichtungshaus Van Dorp am Münsterplatz ist mit den Umsätzen seit der Öffnung sogar zufrieden. „Wir haben zwar weniger Frequenz im Geschäft, aber nehmen verhältnismäßig gut ein“, sagt Christina van Dorp. Sie habe das Gefühl, vor allem die Stammkunden hätten während der Zwangsschließungen nicht im Online-Handel gekauft, sondern auf die Wiedereröffnung gewartet.

Auch Juwelier Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Bonn/Rhein-Sieg, hat beobachtet, „dass die Kunden gezielter kommen als vor der Krise, aber sie verweilen nicht“. Bis Mitte vergangener Woche sei der Umsatz bei ihm „gut, vielleicht sogar überdurchschnittlich“ gewesen. Gegen Ende der Woche habe der Publikumsverkehr allerdings etwas nachgelassen, berichtet Vassiliou. „Diese Woche hat sich der Negativtrend fortgesetzt.“ Er sei pessimistisch, dass sich das umkehre.

Passantendichte liegt aktuell bei 50 Prozent

Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Forschungs- und Beratungsinstituts IFH, schätzt, dass die Passantendichte in den Innenstädten aktuell bei etwa 50 Prozent der normalen Frequenz liegt. Weniger Menschen flanierten, auch weil es an der Gastronomie fehle. „Das Einkaufserlebnis auf der Fläche ist noch nicht attraktiv und mit Masken wird es noch weniger attraktiv.“ Den stärksten Anstieg bei den online verkauften Produkten habe es mit 600 Prozent bei Backautomaten gegeben, so Hudetz.

 Im Gegensatz zu anderen Händlern musste Nikolaos Vassiliadis noch keine Kurzarbeit beantragen. Der Chef des Siegburger Verkehrsvereins, der „Absolut Designhaus“ in Siegburg betreibt, sagt aber auch: „Längere Strapazen kann man als Einzelhändler nicht verkraften.“ Seine neun Beschäftigten hätten jetzt erst einmal Urlaub gemacht und Überstunden abgetragen. Zur Zeit mache er 50 Prozent weniger Umsatz als normal.

Es droht die Schließung von 2500 bis 3000 Unternehmen

Nach Auskunft der IHK Bonn/Rhein-Sieg beschäftigten die rund 7500 Einzelhändler in der Region etwa 25.000 Menschen. Wenn sich an der Situation nichts ändere, müssten 2500 bis 3000 Unternehmen schließen, berichtet IHK-Sprecher Michael Pieck. Der für Handel und Tourismus zuständige IHK-Geschäftsführer Stephan Wimmers weist auf die vielen Plattformen hin, auf denen sich Unternehmen in der Region präsentieren können. Das reicht von www.lokalwirkt.de bis www.heimatliebe-siebengebirge.de. „Diese Präsenz im Netz deckt nicht die Umsatzverluste, aber sie signalisiert den Kunden: Du kannst bei mir kaufen.“

Online-Handel nur „Tropfen auf dem heißen Stein“

Auch bei Juwelier Hild am Dreieck in Bonn war der Kundenkontakt die ganze Zeit nicht abgebrochen. Der Online-Handel, den Hild seit Jahren betreibt, sei in dieser Krise nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“, berichtet Filialleiterin Angelika Kremling. Vor allem offene Aufträge der Uhrmacherei und der Golschmiede seien während der Schließung ausgeliefert worden.

Mit der angeschlossenen Tischlerei hat auch das Einrichtungshaus Walkembach in Bad Honnef ein weiteres Standbein, das ununterbrochen arbeiten konnte, während die Verkäufer in Kurzarbeit gehen mussten. „Ja, wir haben Corona-Hilfen in Anspruch genommen“, berichtet Geschäftsführerin Edeltrud Wegener, die ihr Unternehmen aber sonst „gut aufgestellt“ sieht. „Wir haben noch die Hoffnung, den entgangenen Umsatz teilweise wieder reinzuholen.“ Und: „Wir dürfen nicht den Kopf hängen lassen. Das wirkt sich auch nicht gut auf die Kunden aus“, sagt Wegener.

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