Videotheken in Bonn und der Region Videotheken: Eine aussterbende Spezies

BONN · Die Schaufenster tot, der Boden halb herausgerissen, an der Scheibe das Schild: "Zu vermieten". Wo früher die Filiale der Videothekenkette Blockbuster in der Bonner Kölnstraße residierte, gibt es heute nichts mehr zu sehen.

 Auch diese Filiale der Kette Empire in Meckenheim schließt in den nächsten Tagen. FOTO: HENRY

Auch diese Filiale der Kette Empire in Meckenheim schließt in den nächsten Tagen. FOTO: HENRY

Aus Technovideo einige Häuser weiter ist eine Änderungsschneiderei geworden, und in den ehemaligen Räumlichkeiten von Video Fuchs in der Oberen Wilhelmstraße bietet ein Gebäudereiniger seine Dienste an.

Videotheken gehören zu einer aussterbenden Spezies. Nach Recherchen des GA existieren in Bonn noch fünf Videotheken. Vor einigen Jahren waren es noch doppelt so viele. Nach Angaben des Videothekenverbands IVD gab es vor zehn Jahren noch rund 850 Videotheken in NRW, im vergangenen Jahr waren es noch 395. Bundesweit sieht es nicht anders aus. 1749 klassische Videotheken gibt es demnach heute noch in Deutschland.

Vor zehn Jahren waren es mit 4100 Videotheken mehr als doppelt so viele. Von 2003 bis 2013 sanken die Umsätze von 302 auf 210 Millionen Euro. Verluste, die höhere Gebühren und Zusatzverdienste wie Getränkeverkauf oder Paketannahmestellen nicht ausgleichen konnten.

Was ist passiert? Sind es die vielen illegalen Downloads, die den Videotheken das Genick brechen, oder die zahlreichen Streaming-Dienste im Internet, bei denen man Filme gegen Gebühr auf Abruf schauen kann?

"Die Bequemlichkeit siegt", meint Marion Dittmann von der Videothekenkette Movie Vision. "Für die Leute ist es gemütlicher, Filme zu Hause im Internet zu schauen, als sich ins Auto zu setzen und zur Videothek zu fahren", erklärt sie. Dittmann weiß, wovon sie spricht. Während es zu Hochzeiten ungefähr 180 Movie-Vision- Videotheken deutschlandweit gab, sind es jetzt noch 60 - Tendenz fallend. Ab Februar nächsten Jahres bleiben bei Movie Vision in Eitorf die Türen für immer geschlossen.

Den Ketten bereitet auch die bevorstehende Einführung des Mindestlohns Sorgen. Viele Videothekare beschäftigten Aushilfen für deutlich weniger als 8,50 Euro pro Stunde. "Das Ende ist absehbar", sagt Dittmann. Besonders schnell sterben die Videotheken in ländlichen Gegenden und in Orten mit weniger als 50 000 Einwohnern.

Auch die Meckenheimer Filiale der Videothekenkette Empire steht vor dem Aus, der Räumungsverkauf läuft bereits. Noch eine Woche, dann sei Schluss, erklärt ein Mitarbeiter auf Anfrage. Ähnlich ist es vielen Videotheken in der Region ergangen. In der ehemaligen Videothek in den Sankt Augustiner Südarkaden sind jetzt eine Postagentur und ein Blumengeschäft beheimatet.

Für Jörg Weinrich, Vorstand beim IVD, stellt die gewerbliche Konkurrenz aus dem Internet aber gar nicht die große Gefahr für herkömmliche Videotheken dar. "Die Abo-Modelle konkurrieren eher mit dem Fernsehen."

Und bei den Preisen für das Ausleihen neuer Blockbuster seien die Videotheken um die Ecke sogar oft günstiger. Im deutschsprachigen Raum locken mehr als 30 legale Anbieter im Internet mit Filmen auf Abruf, dem sogenannten Video-on-Demand. Viele bieten Monatsabos für ihr Sortiment an, aber auch die Ausleihe einzelner Filme ist möglich.

Was Weinrich Sorge macht, ist die Internet-Piraterie. "Die Kunden, die der Videothek den Rücken kehrten, gehen zur Hälfte auch dem legalen Markt verloren", sagt er. Schätzungen für 2013 gehen von einer halbe Milliarde Euro Schaden für den Kino- und Videomarkt aus - bei ungefähr 2,8 Milliarden Euro Umsatz.

Sascha Hölig vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg widerspricht. "Online-Videotheken sind ein herber Schlag", sagt er. "Es hängt von den Verwertungsketten ab, wie das weitergeht." Noch bekämen Videotheken Blockbuster und Serien meist, bevor sie anderswo verfügbar seien. Könnten die Online-Videotheken hier nachziehen, werde es mit der Branche noch schneller zu Ende gehen. lie/dpa

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