Schwächelnde Wirtschaftregion Steigende Stauzeiten schaden der Bonner Industrie

Bonn · Die Lage der Firmen in der Region ist schlecht. Der Geschäftsklimaindex der Industrie fiel im Mai um 30 Punkte. IHK-Geschäftsführer Stephan Wimmers sieht in der regionalen Verkehrssituation einen der zentralen Gründe.

 Feierabendverkehr auf der Reuterstraße

Feierabendverkehr auf der Reuterstraße

Foto: Benjamin Westhoff

Die Industrie in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis leidet: Kurzfristig ist es die Corona-Krise, die den Unternehmen stark zu schaffen macht. Langfristig sind es Imageprobleme, fehlende Erweiterungsmöglichkeiten und der Verkehr, die Kummer bereiten.

Der von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg erhobene Geschäftsklimaindex der Industrie fiel im Mai um 30 Punkte auf 67 Punkte. „Das ist der niedrigste Wert, der jemals gemessen wurde. Zu Anfang des Jahres betrug dieser noch 97 Punkte, Mitte 2018 noch 139 Punkte“, sagte IHK-Geschäftsführer Stephan Wimmers. Nur 20 Prozent der Industriefirmen schätzen ihre aktuelle Lage als gut ein. Die Erwartungen für gute Geschäfte in der Zukunft liegen bei lediglich 15 Prozent. Wimmers: „Besonders betroffen ist die exportorientierte Industrie.“ Dazu gehöre auch der in der Region stark vertretene Maschinenbau, wo nur vier Prozent der Unternehmen von einer guten Lage sprechen.

Dabei sei für die Zukunft der Region eine leistungsfähige Industrie wichtig, denn durch die Industrie würden viele weitere Arbeitsplätze, zum Beispiel bei Dienstleistern, geschaffen, sagt Peter Kuhne, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführer der Kuhne Anlagenbau GmbH in Sankt Augustin: „Geht es der Industrie schlecht, leidet unsere Region.“ In Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis erzielen über 330 Industrieunternehmen mit fast 33 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro im Jahr. Die Lohnsumme beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Euro. Dieses Geld bleibe zu einem großen Teil auch in der Region, betonte Kuhne. Er bedauert, dass im Konjunkturpaket der Bundesregierung keine Investitionsanreize für die Industrie enthalten seien. Eine Investitionszulage von beispielsweise zehn Prozent würde schnell wirksam. „Bleibt die Hilfe jetzt aus, wird es für viele Unternehmen richtig eng“, so Kuhne. Zwar werde durch das Konjunkturpaket die Möglichkeit, Verluste steuerlich mit Gewinnen des Vorjahres zu verrechnen, ausgeweitet, doch das setze voraus, dass überhaupt Gewinne erzielt würden. Fast alle Firmen hätten bereits Kurzarbeit eingeführt. Wenn in den nächsten Monaten es nicht wieder bergauf gehe und andere Hilfe komme, würden auch Entlassungen zum Thema.

Die IHK begrüße die Maßnahmen der Politik, um Unternehmen durch Soforthilfen, Kredite und Liquiditätshilfen zu unterstützen. „Schnellstmöglich müssen internationale Wertschöpfungsketten wiederhergestellt und weiterhin unbürokratische Liquiditätshilfen bereitgestellt werden“, forderte Wimmers. Schnell wirksame Impulse, wie eine befristete Entlastung bei der Umlage für erneuerbare Energien unterstützten die Industriebetriebe in der Krise. Das Konjunktur- und Zukunftspaket enthalte Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung, Digitalisierung und Klimaschutz.

Regional müsse es darum gehen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen. Die Erweiterung vieler Industriefirmen werde dadurch behindert, weil Wohnbebauung nah an die Gewerbegebiete heranrücke. Das sei beispielsweise im Bonner Stadtteil Pennenfeld der Fall.

Zudem sei die Verkehrsinfrastruktur in einem schlechten Zustand. Wimmers: „Die Region kämpft seit Jahren mit steigenden Stauzeiten.“ Damit Lieferketten funktionierten und eine „Just-in-time“-Produktion möglich ist, müssten Angebote für Pendler geschaffen werden.

Kuhne sieht die Industrie zu Unrecht unter Imageproblemen leiden. Denn die Firmen arbeiteten an Lösungen, die Probleme bei Klima, Gesundheit oder Ernährung abmildern könnten. Gerade die Corona-Krise zeige, dass hygienische Verpackungen wichtig seien. Kunststoffverpackungen würden Lebensmittel länger haltbar machen. Doch die neue Verpackungsverordnung drehe hier die technischen Möglichkeiten unnötig zurück.

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