Unternehmer-Gespräch Stefan Bisanz: "Den Verbrechern einen Schritt voraus"

BONN · "Haben Sie noch Wertsachen in Ihrem Mantel?", fragt Stefan Bisanz, bevor er das Kleidungsstück an die Garderobe im Flur eines Bonner Bürohauses hängt. Der Mann wittert überall Verbrechen. Das ist sein Job. Bisanz ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Personenschutz, ernannt durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg.

 Stefan Bisanz: Als Personenschützer vom Feldjäger zum Unternehmer.

Stefan Bisanz: Als Personenschützer vom Feldjäger zum Unternehmer.

Foto: Frommann

Mit Taschendieben hat sich der 52-Jährige in seiner Karriere allerdings weniger beschäftigt. Bisanz, Mitgesellschafter des Essener Sicherheitsunternehmens Consulting Plus, verdient sein Geld vor allem mit Personenschutz. Rund 5000 besonders wohlhabende Deutsche wappnen sich und ihre Familien nach Schätzung von Brisanz auf diese Weise gegen Verbrecher, vor allem Entführungen sind gefürchtet.

Neben spektakulären Fällen wie dem des Hamburger Zigarettenfabrik-Erben Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996 wurden laut Bisanz in Deutschland zwischen drei und elf Menschen pro Jahr entführt, um Lösegeld zu erpressen - oft ohne, dass die Fälle öffentlich bekannt wurden. Auch einige Unternehmen lassen ihre Vorstandschefs von Personenschützern bewachen. Sei der Chef plötzlich verschwunden, könne das schließlich auch drastische Folgen für den Aktienkurs haben, so der Bonner Sachverständige.

Mit dem Hollywood-Klischee des Bodyguards hat der Sicherheitsexperte wenig gemein: eher schmale Schultern, Siegelring, goldene Manschettenknöpfe und dunkelblauer Anzug - Bisanz setzt beim Personenschutz eher auf Grips als auf Muskeln. "Die klassische Schutzbegleitung macht nur etwa 20 Prozent unserer Arbeit aus, der weitaus größere Teil ist die Aufklärung", sagt er.

Um Verbrechen zu verhindern, kundschaften die Personenschützer das Umfeld ihres Kunden genau aus: Wer geht am Haus vorbei? Ist der Handwerker wirklich der Angestellte der Firma, für den er sich ausgibt? "Vortatverhalten" nennt Bisanz die Strategien der Verbrecher.

"Die meisten Entführungen werden von professionellen Kriminellen monatelang geplant", sagt er. "Vieles kann von uns dabei beobachtet werden." Gleichzeitig sollen Tatvorbereitungen erschwert werden: Seinen Kunden - er spricht von Schutzpersonen - empfiehlt er unter anderem, Hotels oder auch den wöchentlichen Termin auf dem Tennisplatz unter falschem Namen zu buchen.

Bisanz will den Verbrechern immer einen Schritt voraus sein. "Es braucht ein Eigenmaß an krimineller Energie, um sich in Täter hineindenken zu können", sagt der ehemalige Feldjäger, ohne eine Miene zu verziehen. Wo die eigene Fantasie nicht ausreicht, versucht der Sicherheitsexperte, als Prozessbeobachter aus abgeschlossenen Kriminalfällen zu lernen.

"Es gibt einen neuen Tätertyp: verzweifelt, durchs soziale Netz gefallen, der ehemalige Gutverdiener, der nun durch Kriminalität seinen Lebensstandard unbedingt halten will," sagt Bisanz. Er beobachte eine wachsende Anspruchshaltung in unserer Gesellschaft, gleichzeitig weniger Rücksichtnahme. Und dann sei da noch der Psychopath als unberechenbarer Tätertyp, der weder von Personenschützern noch durch Psychologen im Vorfeld zu erkennen sei.

Als Sachverständiger beschäftigt sich der Unternehmer mit den Gesetzmäßigkeiten der Unterwelt, aber auch seine eigene Branche bereitet ihm mitunter Sorgen. Wenige spezialisierte Mittelständler und die großen Sicherheitsfirmen böten in Deutschland Personenschutz an, dazu kämen zahlreiche Einzelunternehmer.

"Jeder kann sich Personenschützer nennen", sagt Bisanz. Er setzt sich für einen bundesweit einheitlichen Berufsabschluss ein. Zum herkömmlichen Ausbildungsberuf werde sein Job jedoch kaum aufsteigen. "Die Nachfrage ist einfach zu gering", sagt Bisanz.

Auch sein eigenes Unternehmen dürfte zumindest im Rheinland mit Imageproblemen zu kämpfen haben. An Consulting Plus, das rund 320 Mitarbeiter beschäftigt, war über Jahre hinweg die Kölner Oppenheim-Esch-Holding beteiligt. Die wiederum gehört zur Hälfte der Unternehmensgruppe des umstrittenen Troisdorfer Finanzjongleurs Josef Esch. Auch er lässt sich und seinen Wohnsitz in Troisdorf bekanntlich von Consulting Plus bewachen.

"Was unsere Kunden für Geldgeschäfte tätigen, wissen wir nicht, und es geht uns nichts an", sagt Bisanz. Wenn die Rede auf die Auftraggeber kommt, wird der Personenschützer schweigsam. Schließlich gilt ein hoher Bekanntheitsgrad als ein Hauptrisiko, um von potenziellen Entführern oder Erpressern als Opfer ausgewählt zu werden.

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