Zinssenkung der Europäischen Zentralbank Sparer leiden, Verbraucher profitieren

BERLIN · Das Ersparte wächst kaum, dafür werden Kredite aber auch nicht teurer. Das sind zwei mögliche Folgen der Entscheidung der Europäischen Zentralbank. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank leihen können, sinkt um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent.

Was bedeutet die Zinssenkung für die deutschen Sparer genau?
Wer Geld für spätere Anschaffungen beiseitelegt oder regelmäßig für die Altersvorsorge spart, spürt die Nachteile der Politik des billigen Geldes. Banken, Fonds und Versicherungen zahlen ebenfalls weniger Zinsen. Die Garantieverzinsung für Kapitallebensversicherungen in Deutschland beträgt etwa derzeit 1,75 Prozent - knapp über der Inflationsrate. Durch solch mageren Zuwachs nehmen die Vermögen nur langsam zu. Schließlich kann auch die Privatrente niedriger ausfallen als nach Jahrzehnten mit höheren Zinsen.

Wie sieht es für die Verbraucher aus?
Betrachtet man die Bundesbürger als Konsumenten, hat die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) Vorteile. Niedrigere Zentralbankzinsen tragen dazu bei, dass die Kredite der Banken jedenfalls nicht teurer werden. Wer ein Auto, eine Küche oder eine Eigentumswohnung finanzieren will, muss weniger für das geliehene Geld zahlen als in Hochzinsphasen. Weil es deshalb leichter ist, Immobilien zu kaufen und damit Vermögen zu bilden, gleichen diese Vorteile die Nachteile für Sparer zumindest teilweise aus.

Profitieren die Bundesbürger als Europäer?
Die Deutschen und ihre Nachbarn sind Sparer und Konsumenten, aber auch Bürger ihres Staates und der Europäischen Union. In dieser politischen Rolle können sie den Beschluss der Notenbank begrüßen: Niedrigere Zinsen bewirken vielleicht, dass sich die wirtschaftliche Lage vor allem in Südeuropa bessert. Ganz Europa würde dadurch stabiler. Wer hingegen meint, dass die EZB dem europäischen Süden nicht zu sehr unter die Arme greifen sollte, wird die Zinsentscheidung kritisieren.

Wem will die EZB helfen?
Vor allem Griechenland, Portugal und Spanien. Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist mittlerweile teils höher als 25 Prozent. Aber auch in Italien und Frankreich liegt sie deutlich über zehn Prozent. Das Kalkül der EZB sieht so aus: Die Kreditzinsen sinken leicht, die Industrie leiht sich mehr Geld, investiert und schafft Arbeitsplätze.

Ist die Zinspolitik überhaupt noch wirksam?
Wegen der Euro-Krise wirkt die Leitzinspolitik gegenwärtig nicht mehr wie geplant. Die Kreditzinsen in Südeuropa liegen wesentlich über dem Zentralbankzins. Der Grund: Verkauft beispielsweise die spanische Regierung Euro-Staatsanleihen, muss sie den Investoren einen Risikoaufschlag (Bonus) zahlen, damit diese die Papiere erwerben. Darin spiegelt sich das Misstrauen der Investoren in die finanzielle Solidität Spaniens. Das beeinflusst auch die dortigen Bankzinsen. Für spanische oder italienische Firmen ist es deshalb deutlich teurer, Geld zu leihen, als für deutsche Unternehmen. Den Unterschied hofft die EZB nun zu verringern.

Steigt die Inflation nicht, wenn das Geld noch billiger wird?
Wegen der Krise und des schwachen Wachstums herrscht augenblicklich kaum die Gefahr einer schnellen Preissteigerung. Insgesamt beträgt die Inflationsrate in Euroland 1,7 Prozent jährlich, in Deutschland 1,5 Prozent. Gemessen am vergleichsweise hohen deutschen Wirtschaftswachstum (0,5 Prozent 2013, 1,6 Prozent 2014) könnte Deutschland allerdings höhere Zinsen vertragen, um die Inflationsgefahr gänzlich auszuschließen. Ein gefährlicher Mechanismus: Wegen der niedrigen Zinsen unter anderem für Immobilienkredite in Deutschland steigen die Hauspreise und Mieten in den Großstädten teilweise stark.

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