Photovoltaikkonzern aus Bonn Solarworld droht hohe Schadensersatzforderung

Bonn/Michigan · Der Bonner Solarpionier Frank Asbeck und seine Firma Solarworld stehen wieder vor einer schwierigen Lage: Ein früherer US-Lieferant fordert eine dreistellige Millionensumme Schadenersatz. Zahlen könnte Solarworld das nicht, möglicherweise gibt es einen Vergleich.

Der 2014 dem Zusammenbruch knapp entronnene Photovoltaikkonzern Solarworld steht vor einer neuen Bewährungsprobe: Bei einem Prozess in den USA gegen den ehemaligen Siliziumlieferanten Hemlock droht dem Bonner Unternehmen eine hohe Schadenersatzforderung von umgerechnet knapp 700 Millionen Euro, die Solarworld aus eigenen Mitteln wohl nicht begleichen könnte. Das Urteil in dem Prozess ist ab sofort zu erwarten. Ein Antrag von Solarworld auf eine erneute mündliche Anhörung wurde vom Gericht im US-Bundesstaat Michigan abgewiesen.

Das US-Unternehmen pocht auf die Einhaltung langfristiger Lieferverträge, die Solarworld und Hemlock 2005 abgeschlossen hatten, und hat Solarworld deshalb 2013 auf Schadenersatz verklagt. Sprecher von Hemlock und Solarworld wollten sich zu dem Prozess nicht äußern. Solarworld beschäftigt weltweit rund 3800 Menschen.

Silizium ist ein zentraler Rohstoff für Photovoltaikanlagen und war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses weltweit teuer und gesucht. Dann stürzte der Preis aber dramatisch ab: 2008/09 lag der Siliziumpreis noch bei umgerechnet über 400 Euro pro Kilogramm, Ende Mai dieses Jahres bei knapp 16 Euro. Solarworld wollte deshalb bei den langfristig festgelegten Abnahmemengen und Preisen nachverhandeln, wurde sich aber mit Hemlock nicht dauerhaft einig.

Eine Entscheidung gegen Solarworld hätte, wenn sie vollstreckt wird, „erhebliche negative Auswirkungen auf die Liquiditätslage der Gesellschaft bis hin zur Bestandsgefährdung“, heißt es im Solarworld-Geschäftsbericht. Allerdings stuft das Unternehmen die Eintrittswahrscheinlichkeit als „gering“ ein.

Solarworld sieht kartellrechtliche Bedenken, wegen derer die Verträge mit Hemlock ohnehin nichtig seien. Die Dumping-Angebote aus China hätten außerdem den Markt verzerrt und es dem Unternehmen unmöglich gemacht, zu den vereinbarten Preisen Silizium abzunehmen, argumentiert das Unternehmen. Den Hinweis auf europäisches Kartellrecht hatte das US-Gericht aber bereits zurückgewiesen.

Selbst für den Fall eine Niederlage in den USA rechnet Solarworld nicht damit, den Schadenersatz zahlen zu müssen. Vor einer Vollstreckung in Deutschland müsste ein deutsches Gericht den Fall erneut prüfen, heißt es im Risikobericht des Unternehmens. Spätestens dann würde der EU-Kartellrechtsverstoß wieder wichtig. Ohne eine Einigung für den US-Markt werde das Unternehmen, das stark exportabhängig ist, aber nicht auskommen, sagen Marktbeobachter. Möglicherweise laufe der Konflikt auf einen Vergleich hinaus.

Die Argumente des Unternehmens hatten die Aktionärsvertreter bei der Hauptversammlung Anfang Juni nicht beruhigt. Es gab besorgte Nachfragen zu den Prozessrisiken. „Heute das Risiko als gering einzustufen, wäre sicherlich leicht untertrieben“, sagte der Aktionärsvertreter Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in dieser Woche.

Solarworld hatte sich 2013/14 nur mit einem scharfen Schulden- und Kapitalschnitt vor der Insolvenz retten können. Dabei mussten die Aktionäre auf 95 Prozent ihres Kapitals verzichten. In diesem Jahr will sich das Unternehmen endlich aus den roten Zahlen kämpfen und unter dem Strich wieder Gewinn erwirtschaften. Im traditionell schwachen ersten Quartal 2016 gab es aber erst noch mal Verluste. (dpa)

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