GA-Serie "Lehrstellen-Check" So sieht die Arbeit eines Schornsteinfegers aus

Königswinter · GA-Volontärin Jana Fahl hat in Königswinter den Beruf des Schornsteinfegers kennengelernt. Dabei hat sie Azubi Lennart Störbrock unter anderem auf ein Dach begleitet.

 Arbeitsplatz mit Aussicht: Azubi Lennart zeigt GA-Volontärin Jana Fahl, wie er mit der Kehrleine den Schornstein reinigt.

Arbeitsplatz mit Aussicht: Azubi Lennart zeigt GA-Volontärin Jana Fahl, wie er mit der Kehrleine den Schornstein reinigt.

Foto: Nathalie Dreschke

Zwei schwarz gekleidete Männer steigen aus einem knallgelben Lieferwagen. Einer von ihnen setzt sich einen Zylinder auf den Kopf, der andere öffnet die Hecktür und kramt in verschiedenen Kisten. Eine Frau mit Hund läuft an den beiden vorbei. Erst schweift ihr Blick ab, dann bleibt er an den Männern hängen, ihre Miene hellt sich auf. „Dann hab’ ich heute wohl auf jeden Fall Glück“, sagt sie im Vorbeigehen zu den beiden Männern. Lennart Störbrock grinst und schließt die Knöpfe seiner schwarzen Arbeiterjacke. Einen Zylinder trägt der 29-Jährige Auszubildende nicht. Nur Meister dürfen den Hut bei der Arbeit tragen.

Lennart macht eine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Im Betrieb von Sven Gogol in Königswinter erlernt er diesen traditionellen Beruf. Seit Februar ist er einer von zwei Azubis in einem kleinen Team. Bei den täglichen Touren begleitet er deshalb noch seinen Ausbilder Fabian Schmitz — so wie auch an diesem Tag.

Es ist heiß, die Sonne brennt vom Himmel, auch schon um neun Uhr morgens. Ausbilder Fabian Schmitz streckt den Arm aus und zeigt auf ein vierstöckiges Mehrfamilienhaus mit Flachdach. „Auf das Dach steigen wir gleich“, sagt er. Gleich mehrere Schornsteine sind auf dem Dach zu sehen. Azubi Lennart schultert eine Tasche mit Handwerkszeug und geht in Richtung Haustür, selbstbewusst und motiviert. Lennart wirkt wie jemand, der genau weiß, was er tut. Zwar ist er erst seit sechs Monaten dabei; dass ihm der Beruf zusagt, habe er aber schon nach kurzer Zeit gewusst, erzählt er.

Keine Lust mehr auf das Studium

Der 29-Jährige ist der ältere unter den Auszubildenden im Betrieb. Lennart hat Abitur gemacht. Direkt nach der Schule begann er mit einem Studium der Forstwissenschaft und der Waldökonomie. Nach mehreren Semestern hatte er keine Lust mehr auf sein Studium, erzählt er. Dann sei er auf den Beruf des Schornsteinfegers gestoßen. „Man stellt sich ja vor, dass man auf Dächer klettert und Schornsteine fegt, aber es ist viel mehr als das“, sagt er. Schornsteinfeger reinigen Lüftungen, warten Rauchmelder und beraten in Energiefragen. „Den Energieberater hatte ich auch nicht auf dem Schirm, aber das liegt ja nahe“, meint Lennart. Für kurze Strecken nehmen die Schornsteinfeger ein knallgelbes Fahrrad. Alle CO2-Emissionen des Betriebs werden durch Aufforstung ausgeglichen. Die Schornsteinfeger arbeiten also grundsätzlich klimaneutral.

Stockwerk für Stockwerk steigen Lennart und sein Ausbilder jetzt höher in das Mehrfamilienhaus. Auf der obersten Etage angekommen, wird es abenteuerlich: Eine Sprossenleiter führt durch eine Luke in der Decke ins Freie. Durch die viereckige Öffnung ist blauer Himmel zu erkennen. Mit dem Handwerkszeug auf dem Rücken erklimmt Lennart die Leiter, vom Dach aus hat er einen freien Blick auf den Rhein.

Bis zu 15 Schornsteine an einem Tag

„Das sind dann die schönen Arbeiten, mit so einer Aussicht“, sagt er. Dann steuert er einen der Schornsteine an und holt aus seinem Rucksack das typische Werkzeug des Schornsteinfegers: die Kehrleine. An einem langen schmutzigen Seil lässt Lennart eine gusseiserne Kugel ganz langsam in den Schornstein hinab. Auf diese Weise wird der Ruß gelöst, den er später aus einer Luke im Keller kehren muss, erklärt er.

Wenn der Meister und der Azubi zusammen von Haus zu Haus fahren, erledigen sie die Arbeit meist gemeinsam. Bis zu 15 Häuser schaffen sie an einem Tag. Erklären und Lernen inklusive. „Fabian nimmt sich Zeit für mich “, erzählt Lennart. Wie in anderen Handwerksberufen auch ist der Nachwuchs rar. Die Lehrstellen werden zwar besetzt, vor einigen Jahren gab es aber noch deutlich mehr Bewerber, so Inhaber Sven Gogol. Auch in seinem Betrieb sei das so. Wenn man Glück hat, reiche nur eine Bewerbung, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Ist die Ausbildung geschafft, wartet etwa die Meisterschule. Danach eine Anstellung zu finden, sei laut Gogol kein Problem. Das liege am Netzwerk, das sich die Azubis während der Ausbildung aufbauen. Auch einen eigenen Betrieb zu gründen, ist für junge Schornsteinfeger eine Möglichkeit. Der 35-jährige Gogol gründete seinen Betrieb in Königswinter im Alter von 28 Jahren. „Wenn man sich ran hält, kann man in diesem Beruf viel erreichen“, sagt Gogol. Laut des Bundesverbands des Schornsteinfegerhandwerks mit Sitz in Sankt Augustin sind die Zahlen der Auszubildenden in den letzten Jahren zurückgegangen. Der Beruf sei aber stets im Wandel, und der Fokus liege immer mehr auf dem Energieaspekt.

Schornsteinfeger stehen bei jedem Wetter auf dem Dach

Als Lennart die Kehrleine langsam wieder nach oben zieht, steigt eine dunkle Wolke Ruß aus dem Schornstein auf. Dreck darf Lennart als angehender Schornsteinfeger nicht scheuen. Dabei hilft die schwarze Kleidung. Aber auch an andere Dinge sollten junge Leute denken, bevor sie sich bewerben, meint Ausbilder Fabian Schmitz. An Schwindelfreiheit etwa, und an Kundenfreundlichkeit. Außerdem: Wetterfestigkeit.

„Schornsteinfeger stehen wirklich bei jedem Wetter auf dem Dach. Bei 38 Grad Hitze, bei Schnee und bei Unwetter“, sagt er. „Man sollte auch ein gewisses Maß an Eigenorganisation mitbringen. Wenn man das nicht hat, kann man es lassen“, fügt Lennart hinzu. Jeder Schornsteinfeger im Betrieb bekommt morgens eine Liste mit Kunden, die er an diesem Tag abarbeiten muss. Wann der Arbeitstag los geht und wann er endet, kommt auf die eigene Zeiteinteilung an. Wenn er schnell durch ist, ist er mittags schon im Freibad, sagt Schmitz. Er überlegt kurz. Und dann: „Das ist der geilste Job der Welt“.

Vom Dach in den Keller

Vom höchsten Punkt des Hauses geht es jetzt in den Keller. Laut Schmitz der Ort, an dem ein Schornsteinfeger die meiste Zeit verbringt. Im Winter sei es oftmals warm, im Sommer schön kühl. Lennart öffnet eine kleine Luke in der Wand: der Abholpunkt für den eben gelösten Ruß. Lennart prüft noch, ob die Werte der Gasheizung stimmen. Dann ist die Arbeit getan, das nächste Haus wartet.

Zurück am gelben Lieferwagen nimmt Ausbilder Fabian Schmitz seinen Zylinder ab. Der dunkle Stoff glänzt in der Sonne. Einen praktischen Nutzen erfüllt dieser Teil der traditionellen Schornsteinfeger-Aufmachung nicht, sagt Schmitz. Vor allem freue es die Leute. Für den Beruf ist die schwarze Uniform mit goldenen Knöpfen eine Frage der Außenwirkung. „Viele fragen: Darf ich Sie mal anfassen? Manche reiben über den Zylinder, spucken über die Schulter oder drehen an den Knöpfen“, erzählt Schmitz.

Nachdem alles wieder verstaut ist, kann es losgehen, zum nächsten Kunden. Als Lennart und sein Kollege einsteigen wollen, fährt ein Ehepaar auf Fahrrädern an ihnen vorbei. Der Mann hält an, stutzt, dann lacht er und ruft: „Uns kann heute nichts mehr passieren“.

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