Antrag auf Insolvenz Sinn Leffers hält Fortbestand für gesichert

Bonn · Der gnadenlose Wettbewerb im Modehandel führt derzeit viele mittelständisch geprägte Firmen an den Rand der Existenz.

An die „Kiepenkerle“ erinnert in der deutschen Modebranche heute nichts mehr. Der Ursprung der Sinn Leffers GmbH reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zum traditionellen Wanderhandel zurück. Johannes und Friedrich Sinn zogen damals mit ihren Produkten in Körben („Kiepen“) auf dem Rücken von Ort zu Ort und boten ihre Waren an. Sie waren vom Sauerland bis zum Ruhrgebiet und dem Rheinland unterwegs. Heute wandern höchstens noch die Kunden – und zwar ab. Am Tag nach dem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung blieben die Nachrichten sowohl bei Sinn Leffers als auch der Eigentümerfamilie Wöhrl eher spärlich.

Der Schritt sei notwendig gewesen, um das angeschlagene Unternehmen in einem sich immer schneller wandelnden Markt dauerhaft wettbewerbsfähig positionieren zu können, sagte Sinn-Leffers-Geschäftsführer Friedrich Wilhelm Göbel. Das Unternehmen schreibe seit mehreren Jahren rote Zahlen. Maximal drei Filialen sollten im Zuge der Sanierung geschlossen werden. Der Manager zeigte sich überzeugt, dass mit den nun eingeleiteten Maßnahmen „der Fortbestand der Sinn Leffers GmbH gesichert ist“. Das Unternehmen plane keinen größeren Stellenabbau. „Vielleicht können wir sogar alle Mitarbeiter weiterbeschäftigen“, sagte Göbel.

Viele mittelständisch geprägten Textilhändler können den großen Ketten und Online-Anbietern derzeit zu wenig entgegensetzen. Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit dem Jahr 2000 fast halbiert, schätzt der Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE) – von damals mehr als 35 000 auf rund 18 000 Unternehmen. Konjunktur haben Online-Händler wie Zalando, internationale Ketten wie H&M und Textil-Discounter wie Primark oder Kik.

Allein im ersten Halbjahr 2016 sanken im mittelständischen Modefachhandel die Umsätze nach Angaben des Branchenverbandes BTE um durchschnittlich rund ein bis zwei Prozent. Laut BTE klagen zwei Drittel der Modehändler über weniger Besucher. Gekauft wird stattdessen im Online-Shop. In den vergangenen Monaten sind bereits eine ganze Reihe namhafter Textilhändler in wirtschaftliche Probleme geraten. Die Namen sind illuster: Hugo Boss, Gerry Weber, Tom Tailor, Pohland, Zero und jüngst Wöhrl. Nach Einschätzung von Branchenexperten drohen weitere Insolvenzen.

Sinn Leffers entstand 1997 durch die Fusion der zuvor selbstständigen Modehäuser. Von 2001 bis 2005 gehörte das Unternehmen zum Essener KarstadtQuelle-Konzern, bis es von der Deutschen Industrie Holding übernommen wurde, die es 2013 an die Familie Wöhrl weiterreichte. Sinn Leffers hatte schon einmal im Sommer 2008 Insolvenz angemeldet und war seit dem Verfahrensende mit deutlich verkleinertem Filialnetz und reduzierter Mitarbeiterzahl am Markt tätig.

Die Rudolf Wöhrl AG hatte vergangene Woche ebenfalls einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt – und zwar in Form eines Schutzschirmverfahrens. Dieses schützt Unternehmen drei Monate lang vor dem Zugriff der Gläubiger. Dadurch kann das Unternehmen seine Liquidität deutlich erhöhen. Beide Unternehmen haben die Familie Gerhard Wöhrl als Eigentümer. Der Dienstleistungsvertrag, durch den die Rudolf Wöhrl AG für Sinn Leffers Verwaltungsaufgaben übernimmt, soll „im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Sinn Leffers, fortgeführt werden.

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