Preise im Online-Handel Sekundenschnell von billig zu teuer

Frankfurt · Preise orientieren sich an Angebot und Nachfrage, jeder Händler kalkuliert selbst. Das war schon immer so. Doch im Unterschied zur klassischen Preisbildung vergleichen die Online-Anbieter beide Werte in Sekundenschnelle und passen sie so an, dass möglichst viel Gewinn herauskommt.

 Der Mitarbeiter eines Online-Anbieters für Lebensmittel stellt ein Paket zusammen, das von einem Kunden zuvor bestellt wurde.

Der Mitarbeiter eines Online-Anbieters für Lebensmittel stellt ein Paket zusammen, das von einem Kunden zuvor bestellt wurde.

Foto: picture alliance / dpa

Das sogenannte „dynamic pricing“ funktioniert mithilfe von Algorithmen, die die Preise immer wieder neu berechnen. Das heißt: Eine Software scannt und analysiert Profile, Angebote der Wettbewerber oder Klickzahlen. Entsprechend ändern sich die Beträge für die Waren.

Der Online-Händler senkt die Preise, wenn er Rabatte im Einkauf bekommt, wenn er zu guten Konditionen seine Ware vertreiben kann, wenn er kaum Kosten für die Lagerung hat. Oder wenn die Konkurrenz Rabatte anbietet. Manche Algorithmen zeichnen genau die Preisentwicklung der Mitbewerber nach. „Das Internet verkürzt den Zyklus der Preisanpassung“, sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel. „Früher hat man ein Rabattschild geschrieben. Heute passiert das eben digital.“ Keiner muss mehr von Hand die neuen Preise für die Ware eingeben. Das erledigt heute der Computer. Laut dem Handelsverband Deutschland wurden 2015 Waren im Wert von rund 44 Milliarden Euro online verkauft. Das sind etwa elf Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes. Das Geschäftsfeld wächst rasant. Im Jahr zuvor lag der Online-Anteil noch bei rund acht Prozent. Die Kundschaft kauft Kleider, elektronische Geräte oder Reisen. Zudem gehen Waren des alltäglichen Bedarfs, etwa Lebensmittel, Kosmetik oder Getränke, über die virtuelle Ladentheke.

Mit der Kundschaft wächst die Konkurrenz. „Der Kunde ist es gewohnt, etwa über Sonderangebote oder Coupons angesprochen zu werden“, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland. Amazon gehört zu den Vorreitern bei der dynamischen Preissetzung. Andere Online-Händler haben längst nachgezogen. Von einem Tag auf den anderen, in vielen Fällen sogar innerhalb weniger Stunden, bekommen die Kunden verschiedene Preise für das selbe Produkt angeboten.

Ein Beispiel: Eine Waschmaschine kostet am Donnerstag Morgen knapp 400 Euro. Am Freitagabend fällt der Preis um rund 40 Euro. Die Woche darauf steigt der Betrag wieder. Anhaltspunkte über die Preisschwankung bekommt der Verbraucher nicht.

Falk vom Handelsverband sieht keine Überforderung der Kunden. Obwohl die nicht mehr wissen, wie, wann und warum die Preise schwanken. Dank Internet hätten die Kunden „ein hohes Maß an Preistransparenz und Vergleichsmöglichkeiten“, sagt er.

Das sehen Verbraucherschützer anders. „In einer Welt von dynamischen Preisen wird der Kunde dazu gezwungen, sich wie ein Börsenmakler zu verhalten“, sagt Miika Blinn, Experte für Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Sowohl für den Verbraucher als auch die Marktwächter ist nicht ersichtlich, wie die Beträge zustande kommen.“ Es werde zunehmend schwieriger, Preise zu vergleichen. „Der Wert eines Produktes ist nicht mehr sicher“, sagt Blinn. Denn nicht nur die Marktbedingungen bestimmen den Preis. Sondern auch der Zugang zum Produkt. Einkaufen über das Smartphone oder über den heimischen PC?

Verbraucherschützer vermuten, dass es unterschiedliche Preisangebote je nach Gerät gibt. Technisch ist eine solche Geschäftspraxis längst möglich, bestätigt auch Onlinehandels-Experte Prothmann. „Allerdings hat sie keine Zukunft“, sagt er. „Verbraucher würden in Bewertungen sofort auf diese Form der Preisgestaltung aufmerksam machen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Schwere Belastung
Kommentar zur Klage gegen Solarworld in den USA Schwere Belastung