Preise für Betriebsratsarbeit So verlief der Deutsche Betriebsrätetag in Bonn

Bonn. · Der Deutscher Betriebsrätetag zeichnet Arbeitnehmervertreter in Bonn für ihren Einsatz aus. Diese Projekte erhielten Gold, Silber und Bronze.

 Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann (am Pult) applaudiert den Betriebsratsmitgliedern der Siemens AG, Tobias Bäumler und Ismayil Arslan im WCCB.

Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann (am Pult) applaudiert den Betriebsratsmitgliedern der Siemens AG, Tobias Bäumler und Ismayil Arslan im WCCB.

Foto: Benjamin Westhoff

Fleischklößchen, Zimtkringel und mit allen per Du – Ikea will schon immer mehr als ein Möbelhaus sein. Restaurantbetrieb inklusive geht es den Schweden darum, ein sympathisches Lebensgefühl zu vermitteln. „Ikea spielt heile Welt vor“, sagt Sonja Everts. Die Betriebsratsvorsitzende von Ikea in Duisburg hat ganz andere Dinge erlebt: geringe wöchentliche Stundenzahl, dauerhaft befristete Beschäftigung und schlechte Bezahlung von körperlich harter Arbeit.

Auf dem Deutschen Betriebsrätetag in Bonn, der von Dienstag bis Donnerstag im WCCB stattfand, berichtet Everts von ihrem Kampf gegen solche prekären Arbeitsverhältnisse. Erst auf einem 87-Stunden-Monats-Job, arbeitete sie sich auf eine Vollzeitstelle als Teamassistentin hoch. Parallel wirkte sie im Betriebsrat mit, den sie 2005 in Duisburg mitgründete. „Wir hatten damals eine Befristungsquote von 30 Prozent.“

Der Betriebsrat nahm Kontakt zu den anderen deutschen Standorten von Ikea auf. „Unser Ziel war, eine echte Perspektive für die Beschäftigten zu entwickeln“, erklärt Everts. Das hieß, Arbeitsplätze zu schaffen, von denen die Mitarbeiter leben konnten. Die Quote der Beschäftigten, die mindestens 120 Stunden pro Monat arbeiten, liege heute bei 60 Prozent, berichtet Everts. Zudem setzten sie durch, dass die Mitarbeiter, die morgens die Lager auffüllen, höher eingruppiert sind, weil das endlich als schwere körperliche Arbeit endlich anerkannt werde.

Für ihren Arbeitskampf erhielt Everts am Donnerstag den Publikumspreis des Betriebsrätetages, der zum elften Mal verliehen wurde. Mit der Auszeichnung werden Arbeitnehmervertretungen bundesweit gewürdigt. Beworben um die Preise hatten sich in diesem Jahr 80 Betriebsräte mit Praxisbeispielen, zwölf davon wurden nominiert und stellten ihre Projekte im früheren Plenarsaal des Bundestages vor.

Unter ihnen war auch der Gesamtbetriebsrat der Deutschen Post AG in Bonn, der ein Verfahren zur Beurteilung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz entwickeln ließ. Der Jurypreis in Gold ging am Ende aber an den Gesamtbetriebsrat der Siemens AG, der unter dem Slogan „Den Strukturwandel aktiv gestalten“ mit den Arbeitgebern eine sogenannte Zukunftsvereinbarung getroffen hat, die die Folgen von Standortschließungen, Outsourcing und Stellenabbau abfedern soll. Dafür steht ein Fonds bereit, der mit 100 Millionen Euro ausgestattet ist und der Umqualifizierung von Mitarbeitern dient.

„Digitalisierung ist kein Schicksal, sondern eine Gestaltungsaufgabe“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der den Publikumspreis am Donnerstag an Everts überreichte. Manche verwechselten Digitalisierung auch mit „Ausbeutung und meinen prekär“. Der SPD-Minister sagte, Sozialpartnerschaft, Interessenausgleich und Mitbestimmung seien keine romantischen Ideen von gestern, sondern hochaktuell.

Heil kündigte noch für dieses Jahr sein „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ an, das das Kurzarbeitergeld mit zusätzlichen Zuschüssen für Arbeitgeber verbinden will, wenn der Mitarbeiter gleichzeitig an Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt. Viel Applaus bekam der Minister, als er das Thema Doppelverbeitragung von Betriebsrenten in der gesetzlichen Krankenversicherung ansprach. „Das müssen wir bremsen“, sagte Heil. Seit 2004 wird der volle Beitragssatz auf Betriebsrenten erhoben, während Arbeitnehmer nur den halben Satz auf ihren Lohn zahlen.

Noch eine Bresche schlug Heil für die Arbeitnehmervertreter: Das Verhindern einer Betriebsratsgründung soll nicht mehr nur ein Anzeigedelikt sein: Der Minister will ein Offizialdelikt daraus machen. Dann müsste die Staatsanwaltschaft von Amts wegen in der Sache ermitteln.

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