Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten Pläne der großen Koalition erzürnen Wirtschaft

Berlin · Die große Koalition will deutsche Unternehmen notfalls per Gesetz zwingen, bei Auslandsgeschäften Menschenrechte einzuhalten. Die Arbeitgeber protestieren.

Bei dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 kamen mehr als 1100 Menschen ums Leben. Die deutschen Auftraggeber der Textilfabrik nahmen niedrige menschenrechtliche Standards in Kauf. Es war der Beginn einer Debatte über die Verantwortung für Arbeitsbedingungen.

Bei dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 kamen mehr als 1100 Menschen ums Leben. Die deutschen Auftraggeber der Textilfabrik nahmen niedrige menschenrechtliche Standards in Kauf. Es war der Beginn einer Debatte über die Verantwortung für Arbeitsbedingungen.

Foto: picture alliance / Abir Abdullah

Niedrigstlöhne und einstürzende Textilfabriken in Bangladesch, brechende Dämme und Schlammlawinen bei einer brasilianischen Eisenerzmine, unmenschliche Bedingungen im afrikanischen Bergbau – die Bundesregierung will ihren Teil dafür tun, dass solche durch wirtschaftliche Interessen ausgelösten Katastrophen seltener vorkommen. Sie will daher die größeren deutschen Unternehmen notfalls per Gesetz verpflichten, bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und ökologische Standards einzuhalten. Das von Außenminister Heiko Maas (SPD), Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und mehreren SPD-Ministern vorangetriebene Projekt bringt nun aber die deutsche Wirtschaft auf die Barrikaden: Von diesem „Unsinn“ müsse sich die Regierung wieder verabschieden, fordert Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

„Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmern verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, das sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, sagte Kramer unserer Redaktion. „Da wo ich als Unternehmer persönlich Einfluss etwa auf die Produktion in meiner Fabrik im Ausland habe, fühle ich mich selbstverständlich verpflichtet, nach unseren sozialen und ökologischen Standards arbeiten zu lassen. Aber nicht dort, wo ich das gar nicht beeinflussen kann oder als Mittelständler noch nicht einmal überblicken kann. Das ist absurd. Ich hoffe, dass die Bundesregierung von diesem Unsinn absieht“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).

Doch die Option, die Pläne fallenzulassen, gibt es für die Koalition nicht mehr. Denn mit dem 2016 beschlossenen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) hatte die Regierung Firmen bereits auf freiwilliger Basis zu mehr Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei ihren Auslandsgeschäften verpflichtet. Im Koalitionsvertrag vereinbarten Union und SPD 2018 dann, notfalls gesetzlich zu reagieren, sollte sich herausstellen, dass die freiwillige Lösung nicht funktioniert. Das wollen Maas und Müller jetzt durch eine Befragung von Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten herausfinden, ein sogenanntes Monitoring. Sollte sich dabei herausstellen, dass weniger als 50 Prozent der Unternehmen die Kriterien zur Einhaltung der Menschenrechte erfüllen, will Müller mit einem „nachhaltigen Wertschöpfungskettengesetz“ reagieren, das die Haftung der Unternehmen vorsieht und das bei ihm auch schon fertig in der Schublade liegt.

Arbeitsminister plädiert für "gerechte Globalisierung"

Doch schon über die Ausgestaltung des Fragebogens gibt es in der Koalition heftigen Streit. Kanzleramt und Wirtschaftsministerium sollen den Fragebogen des Außenministeriums „verwässert“ haben, lautet der Vorwurf von Akteuren wie Germanwatch. Die CDU-geführten Häuser wollen demnach erreichen, dass Unternehmen, die den Fragebogen nicht ausfüllen, aus der Bewertung herausfallen. Auf diese Weise würde erreicht, dass voraussichtlich mehr als 50 Prozent der befragten Unternehmen die Menschenrechte einhalten. Ein interministerieller Ausschuss am Mittwochabend brachte keinen Fortschritt in dem Streit.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) springt seinen Kollegen Maas und Müller jetzt zur Seite. „Unsere Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Produkte, die sie verkaufen, unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden. Es geht zum Beispiel um Kinderarbeit und Zwangsarbeit, die wir ausschließen wollen“, sagte Heil unserer Redaktion. „Wenn wir nach der Untersuchung im nächsten Jahr feststellen, dass sich weniger als 50 Prozent der größeren deutschen Unternehmen an die sozialen Standards der nachhaltigen Lieferketten halten, wollen wir das gesetzlich vorschreiben.“ Er sehe sich da in guter Gesellschaft: „Das ist ein wichtiges Anliegen des Bundesaußenministers, des Entwicklungsministers und der Justizministerin. Ich wünsche mir eine ähnliche Leidenschaft auch in anderen Ministerien und im Kanzleramt“, sagte Heil. „Wenn wir uns nicht um eine gerechtere Globalisierung kümmern, wenn Menschen ausgebeutet werden, führt das zu wachsenden Migrationsströmen zum Beispiel aus Afrika in Richtung Europa. Das wäre nicht zu verantworten“, warnte Heil.

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