VR-Brillen Per Pappkarton in die virtuelle Welt

Sankt Augustin · Wie Datenbrillen in der Wirtschaft einsetzbar sind, erforscht das Fraunhofer Institut in Sankt Augustin. Ein Einsatzgebiet könnte die Wartung von Maschinen sein. Damit müsste der Techniker bei Reparaturen nicht mehr vor Ort sein.

 Freie Sicht auf die Daten: Fraunhofer-Bereichsleiter Wolfgang Prinz mit (von links) der Pappkarton-3D-Brille, der Datenbrille mit seitlichem Bildschirm Vuzix M100, der Datenbrille mit in die Gläser integrierten Bildschirmen Epson Moverio BT200 und der Virtual-Reality-Brille Samsung Gear.

Freie Sicht auf die Daten: Fraunhofer-Bereichsleiter Wolfgang Prinz mit (von links) der Pappkarton-3D-Brille, der Datenbrille mit seitlichem Bildschirm Vuzix M100, der Datenbrille mit in die Gläser integrierten Bildschirmen Epson Moverio BT200 und der Virtual-Reality-Brille Samsung Gear.

Foto: Holger Arndt

Manchmal ist die virtuelle Welt nur einen Pappdeckel entfernt. Professor Wolfgang Prinz faltet eine Vorlage aus Karton zu einem kleinen Kasten. Mit einem Gummiband befestigt er sein Handy quer im Innenraum. Zwei Linsen geben den Blick aufs Display frei – und fertig ist das virtuelle 360-Grad-Kino.

„Den Bausatz gibt es im Internet schon ab einem Euro zu kaufen“, sagt der Bereichsleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) am Sankt Augustiner Schloss Birlinghoven. Er zeigt die Grundlagen der Technik, die sein Team von derzeit zehn Mitarbeitern seit rund 15 Jahren erforscht.

Der Film auf dem Handy wurde mit einer speziellen 360-Grad-Kamera aufgenommen. Es gibt auf der linken Displayhälfte ein Bild fürs linke Auge, auf der rechten für das Rechte. Die Linsen trennen den Blick und ein dreidimensionales Bild entsteht. Sensoren im Handy orten die Position des Nutzers im Raum und steuern die Blickrichtung im Film je nach Kopfbewegung.

VR-Brillen in der Wirtschaft einsetzbar?

„Nach diesem Prinzip funktionieren auch die vor allem für Computerspiele verwendeten Virtual-Reality-Brillen wie die Oculus Rift“, sagt Prinz. Die IT-Experten in Sankt Augustin erforschen unter anderem, wie diese VR-Brillen in der Wirtschaft einsetzbar sind. „An dem Thema arbeiten wir schon lange, aber jetzt erst werden die Brillen immer billiger, so dass eine breite Nutzung überhaupt in Frage kommt“, sagt Prinz.

Derzeit teste das Institut mit mehreren Unternehmen Anwendungen. Für Stadtentwickler haben die Wissenschaftler eine Möglichkeit geschaffen, geplante Gebäude virtuell in eine real gefilmte 3D-Umgebung einzusetzen. Mit der VR-Brille kann der Nutzer so die Wirkung eines Neubaus in einer bestehenden Umgebung aus allen Perspektiven prüfen.

Facebook und YouTube setzen auf VR-Brillen

„Facebook und Youtube versuchen gerade intensiv, die VR-Technologie auf den Massenmarkt zu bringen“, sagt Leif Oppermann, Experte am FIT für sogenannte Augmented Reality. Der Begriff bezeichnet eine durch Bildschirmdarstellungen erweiterte Realitätswahrnehmung. Zum Beispiel gibt es Programme, die Gebäude erkennen, die ein Nutzer mit Brille betrachtet und sofort zusätzliche Informationen wie etwa das Baujahr einblenden.

Die Sankt Augustiner Forscher beschäftigen sich aber auch mit ganz anderen Formen der High-Tech-Brillen. So genannte Datenbrillen zeigen dem Träger Informationen entweder über einen kleinen zusätzlichen Bildschirm an, meist wie eine Art Rückspiegel am Brillenrand montiert. Oder sie projizieren die Informationen auf Glasflächen innerhalb der Brillengläser.

„Diese Brillen sind praktisch bei allen Einsätzen, bei denen Menschen ihre Hände frei haben müssen, aber trotzdem auf Daten zugreifen wollen“, sagt Prinz. Ein Pharmakonzern teste derzeit Datenbrillen für Laborarbeiter, die während der Arbeit Anweisungen zu den Versuchen erhalten. Gleichzeitig protokolliert eine Kamera in der Brille die Tätigkeiten. „Die Geräte sollen den Menschen die Arbeit erleichtern“, sagt Prinz.

Einsatzgebiete in der Arbeitswelt

Als weiteres Einsatzgebiet kann er sich die Wartung von Maschinen vorstellen. „Der Techniker muss nicht mehr zu einer komplizierten Reparatur ins Ausland fahren“, so der Experte. Er könne sich stattdessen in die Videofunktion der Brille des Technikers vor Ort einschalten und diesem dann über den Bildschirm während der Arbeit Tipps geben.

Noch funktioniert der Einsatz der Brillen in der Arbeitswelt nicht immer reibungslos: „Es gibt zum Teil noch technische Probleme bei der Erkennung von Gesten oder Sprache durch die Brillen“, sagt Prinz. Und: „Die Akkus reichen zum Teil nur für eine Stunde Betriebsdauer.“ Der Informatiker ist jedoch überzeugt, dass die Hersteller diese Hardware-Probleme lösen. „In fünf Jahren sind Datenbrillen Allerweltsgeräte“, sagt Prinz. Was bei Computerspielen längst Standard sei, gehöre dann auch zur Arbeitswelt.

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