Pensionierte Fachleute sind im Ausland gefragt

Bonner Senior-Experten-Service expandiert - Im vergangenen Jahr 1 435 Einsätze in 89 Ländern - Ministerium will Finanzierung für die "Botschafter der deutschen Wirtschaft" aufstocken

Hebamme im Auslandseinsatz:  Senior-Expertin Elisabeth Friedrich mit Drillingen in einem Fischer-Dorf in Uganda.

Hebamme im Auslandseinsatz: Senior-Expertin Elisabeth Friedrich mit Drillingen in einem Fischer-Dorf in Uganda.

Foto: SES

Bonn. Als Elisabeth Friedrich vor acht Jahren das erste Mal die Insel Bugala in Uganda besuchte, herrschten dort noch "katastrophale Zustände", so die pensionierte Hebamme aus Heiden in Westfalen. Die Gebäude in der Gemeinde Bumagi seien baufällig gewesen, die Schule besetzt von Termitenhügeln, in der Krankenstation hingen Fledermäuse von der Decke.

Dank der Hilfe der heute 67-Jährigen hat sich die Situation auf der Insel deutlich verbessert: Mit Spendenmitteln konnte eine Schule gebaut werden. Seit zwei Jahren läuft ein Programm zur Resozialisierung der vielen Waisenkinder. Bei ihrem achten Einsatz im kommenden Jahr will Friedrich mit ihren Freunden und Helfern die Krankenstation vergrößern.

Die Arbeit von Elisabeth Friedrich ist nur ein Beispiel für die weltweiten Einsätze der ehrenamtlichen Senior-Experten - die pensionierten Fachleute sind vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern tätig.

Die Unterstützung des Senior-Experten-Service (SES) mit Sitz in Bonn ist gefragter denn je: Im vergangenen Jahr haben die Senior-Experten im Alter von 55 bis 75 Jahren insgesamt 1 435 Einsätze in 89 Ländern absolviert, 361 mehr als im Vorjahr. Das ist Rekord in der 22-jährigen Geschichte des SES, der seit dem vergangenen Jahr als rechtlich selbstständige Stiftung der deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit geführt wird.

Für die Finanzierung der Auslandseinsätze stellte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im vergangenen Jahr 5,1 Millionen Euro zur Verfügung - und damit den Löwenanteil der Einnahmen von 6,2 Millionen Euro. "Wir sind bemüht, die Unterstützung in den nächsten Jahren auszubauen", sagte BMZ-Staatssekretär Erich Stather am Freitag in Bonn. In der Entwicklungszusammenarbeit zähle aber nicht nur Geld allein, sondern auch der Einsatz von Menschen. Stather sagte, die Senior-Experten zählten keineswegs zum "alten Eisen", sondern leisteten wertvolle Arbeit in den Partnerländern.

SES-Vorstand Franz Schosser schätzt, dass die Zahl der Einsätze auch in diesem Jahr noch über 1 400 wachsen wird. Von der ehrenamtlichen Arbeit profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen, "denn sie benötigen solche Hilfe in besonderem Maße", so Schosser.

"Die Senior-Experten leisten einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungssituation und zur Schaffung eines dynamischen Mittelstandes." Beides seien wichtige Voraussetzungen, um gerade in den Entwicklungsländern die Armut zu mindern. "Die Älteren sind für unsere Wirtschaft und Gesellschaft ein wichtiges Potenzial, auch in Anbetracht der demografischen Entwicklung."

Schosser sagte, ohne Unterstützung durch Bundestag, Bundesregierung und BMZ wäre die Expansion des SES nicht möglich gewesen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen in den Entwicklungsländern seien in der Regel nicht in der Lage, die mit den Einsätzen verbundenen Kosten in vollem Umfang zu tragen.

Als "Botschafter der deutschen Wirtschaft" hat sich Senior-Experte Ulrich von Homeyer aus Troisdorf-Sieglar schon bei zwölf Einsätzen betätigt. Vor zwei Wochen erst kehrte der 68-jährige Diplom-Ingenieur aus Bulgarien zurück, wo er ein kleines Landmaschinen-Unternehmen unterstützte, indem er Vorschläge zur Produktpalette und zum Marketing machte sowie Kontakte zur deutschen Wirtschaft vermittelte.

Seit drei Jahren gehört auch der frühere Hotel-Direktor Hans-Wilhelm Eichholz zu den mittlerweile 6 400 registrierten Senior-Experten. Zehn Jahre leitete er unter anderem den Bonner Königshof. In seinem Hotel erfuhr der heute 61-Jährige vom SES. Im April 2004 führte ihn ein Einsatz nach Tscheljabinsk in Russland. In der früheren "Panzerschmiede der UdSSR" half er einer mittelständischen Firma, ihren Geschäftsbereich um eine Kaffeebar mit Weinausschank zu erweitern.

Der Bonner unterbreitete im Gastland Vorschläge zur Ausstattung und zur Gastronomie-Logistik und beriet bei der Schulung der Angestellten. Der Hotelkaufmann stellte Listen einheimischer und deutscher Lieferanten zusammen und zeigte den Russen, wie sie Preis-Leistungs-Vergleiche vornehmen können. "Ich glaube, dass meine Tätigkeit als Senior-Experte dazu beigetragen hat, die Lebensqualität der Mitarbeiter des Unternehmens zu verbessern und ihre Arbeitsplätze zu sichern," zieht Eichholz Bilanz seines Einsatzes.

Internet: www.ses-bonn.de

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