Nicht überall sind die Arbeitsplätze rauchfrei

Nichtraucher haben es oft schwer, sich gegen blauen Dunst im Büro zu wehren - Bonner Bundesvereinigung für Gesundheit kritisiert Unternehmen

Nicht überall sind die Arbeitsplätze rauchfrei
Foto: dpa

Bonn/Heidelberg. (dpa) Nichtraucher müssen sich blauen Dunst am Arbeitsplatz nicht gefallen lassen. Nach der Arbeitsstättenverordnung sind Arbeitgeber verpflichtet, sie vor Gesundheitsgefahren durch das Passivrauchen wirksam zu schützen. Wieweit dies in der Praxis umgesetzt wird, ist allerdings umstritten.

"Das Gesetz hat zu einer Verbesserung des betrieblichen Nichtraucherschutzes geführt", sagt Michaela Goecke, Projektkoordinatorin bei der Bundesvereinigung für Gesundheit in Bonn. Mehr Unternehmen, Behörden und Krankenhäuser böten rauchfreie Arbeitsplätze an.

"Allerdings ist bei knapp drei Millionen Gewinn orientierten Unternehmen in Deutschland die Umsetzung noch nicht flächendeckend abgeschlossen", räumt die Expertin ein.

Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg sind 8,5 Millionen Nichtraucher am Arbeitsplatz Tabakrauch ausgesetzt. Eine Studie schätzt die Zahl der Todesfälle aufgrund Passivrauchens in Deutschland auf insgesamt 3 300 jährlich. Aus Sicht des DKFZ ist der Nichtraucherschutz in der Arbeitswelt bisher alles andere als zufrieden stellend.

Vielfach seien Betriebsräte durch ihr eigenes Rauchverhalten befangen. Gewerbeaufsichtsämter würden ihre Kontrollfunktion nur unzureichend wahrnehmen. "Wenn ein junger, gesunder Mensch endlich einen Ausbildungsplatz gefunden hat, er aber von 15 Kollegen acht Stunden am Tag zugequalmt wird, ist das ein Desaster", kritisiert Uta Christiane Brandt von der DKFZ-Hotline "Rauchfrei am Arbeitsplatz".

Dass Betriebsräte sich nicht ausreichend kümmern, ist nach Ansicht von Petra Müller-Knöß vom Ressort Arbeits- und Gesundheitsschutz der IG Metall in Frankfurt/Main pauschal nicht haltbar.

"Sie müssen immer einen Spagat zwischen Nichtraucherschutz und betrieblichen Lösungen für die Raucher machen." Zu Konflikten führten oft die zusätzlichen Raucherpausen. "Zunächst muss ein Weg gefunden werden, wie mit der Sucht umgegangen werden kann", erklärt die Gewerkschafterin.

Dass es Probleme gibt, bestätigt auch Heiner Vollmar, Leiter des Amtes für Arbeitsschutz in Recklinghausen: "Wo Kundenkontakt besteht, etwa in Banken oder in der Gastronomie, lässt sich ein Rauchverbot praktisch nicht aussprechen."

Auch eine Sekretärin, die mehrmals am Tag in das verrauchte Büro ihres Vorgesetzten gehen muss, habe zwar das Recht, Nichtraucherschutz zu verlangen. Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses könne sie es aber kaum einfordern.

Seit Inkrafttreten der Arbeitsstättenverordnung 2002 haben Anfragen zum Nichtraucherschutz nach Erfahrung von Vollmar deutlich zugenommen. "Bei den Nichtrauchern ist das Bewusstsein gewachsen, dass sie nicht mehr von der Gnade der Raucher abhängig sind."

Vereinbarungen und Regelungen dürften jedoch nicht dazu führen, dass das Betriebsklima beeinträchtigt wird. "Es geht nur mit Information und Überzeugung", ist Vollmar überzeugt.

"Für die Umsetzung des betrieblichen Nichtraucherschutzes sollte sich ein Arbeitskreis bilden, der die Regelungen festlegt", rät Michaela Goecke. Der Betriebs-oder Personalrat hat ein Mitspracherecht und sollte beteiligt werden. Wichtig sei, dass die Unternehmensleitung die Vereinbarungen unterstützt.

"Ein rauchfreies Krankenhaus lässt sich nicht umsetzen, wenn der Chefarzt auf seine Zigarette nicht verzichten kann", sagt Vollmar. Einige Unternehmen bieten ihren Beschäftigten auch die Teilnahme an Raucherentwöhnungskursen an. Als Erfolg versprechender Weg haben sich eintägige Kompaktseminare erwiesen.

"Die Teilnehmer erfahren, dass der Verzicht auf das Rauchen kein Verlust der Lebensqualität bedeutet", sagt Margot Wehmhöner vom BKK Bundesverband in Essen. Betrieblicher Nichtraucherschutz sei ein kontinuierlicher Prozess. "Er schützt Nichtraucher und unterstützt gleichzeitig aufhörwillige Raucher."

www.tabakkontrolle.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur Arbeitslosenquote Viel Potenzial bei Ungelernten
Aus dem Ressort