Trends auf der Möbelmesse in Köln Neue Eleganz und ein Flair von früher

Köln · Die Welt bleibt unübersichtlich, da mag der Mensch es, wenn Möbel sein Leben leichter machen und sich anpassen. Statt großer Revolutionen sind in Köln Omas Lieblingsstücke in Neuauflage zu bewundern.

 Inspiration fürs Schlafzimmer: Strandkorbbett mit Schilftapete.

Inspiration fürs Schlafzimmer: Strandkorbbett mit Schilftapete.

Foto: Guenther Meisenberg

Nie wieder Ikea, mein Möbelgeschmack wird endlich erwachsen: So klingt der Vorsatz mancher, die ab Freitag zur Möbelmesse nach Köln pilgern. 270 000 Quadratmeter Inspiration könnten sie durchkämmen – nach dem einen neuen, großen Trend, dem Va-va-Voom-Gefühl beim Anblick genial kuratierter Einrichtungen oder überraschend arrangierter Farben. Doch so einfach ist das dieses Jahr nicht. Neues gibt es viel, ja, Revolutionen aber keine.

Die Möbelmesse ist da eben auch Fieberthermometer der überforderten Gesellschaft: Die wird älter (wobei die Alten sich jung fühlen und geben), mobiler, flexibler, städtischer, aber auch gesünder, umweltbewusster – und weiblicher. All diese parallelen Tiefenströmungen bedeuten viel Veränderungsstress, und zwar global, nicht nur in Deutschland.

Die Möbel – Hersteller aus 50 Nationen sind in Köln vertreten – spiegeln diese gesellschaftlichen Megatrends: Sie wollen sich unauffällig einfügen in das moderne Lebenstempo, schrumpfen analog zu den immer teureren, kleineren Stadtwohnungen, werden leichter und dadurch mobiler, integrieren Tablets, trösten mit noch größerem Komfort für den rauen Alltag außerhalb der vier Wände. Eines sollen sie sicher nicht: Solo-Spieler sein, die auf der Wohnungsbühne tagtäglich ins Auge stechen.

„2050 wohnt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten“, erklärt Ursula Geismann vom Verband der deutschen Möbelindustrie, „da brauchen Architekten pfiffige Ideen für kleine Wohnungen.“ Die hat die kleine Belfaster Firma „Humble Homes“ mitgebracht: Sie entwirft clevere Grundrisse, in denen Wohnen, Schlafen und Arbeiten auf wenige Quadratmeter passen.

Platz in Großstädten kostet. Darauf richtet sich etwa auch die Manufaktur Sanktjohanser ein, die Multifunktionsmöbel vorstellt: eine Garderobe, die unbenutzt zum Regal umgedreht werden kann, ein Standregal, das gleichzeitig Barhocker ist, oder eine hochhebbare Couch, deren Beine formschön mit denen eines Matratzenkastens ineinandergreifen. Alles blitzschnell umrüstbar und packbar, wenn der moderne Nomade sein Zelt an einem anderen Ort aufschlagen will.

Schränke werden rollbar, Schreibtische kommen als zusammenklappbare Sekretäre daher. Dass sie wieder in Mode sind, hat die Industrie auch dem Trend zum Home Office zu verdanken. Arbeitnehmer richten es in einer Ecke ihrer Wohnung – teils als Arbeitsplatz, perspektivisch aber auch als Refugium – ein.

Viel Hallen-Platz hat die imm cologne für Boxspringbetten reserviert, die bei Deutschen hoch im Kurs stehen. Ein Hersteller aus Ostwestfalen rüstet sogar Strandkörbe als Boxspringbett aus. Einrichtungsfans, die technisch oder handwerklich interessiert sind, werden sich über eine vernetzte Musterwohnung freuen, die so ziemlich alle Innovationen zusammenträgt, die es dazu gibt. Auch für pflegebedürftige Senioren könnte das vernetzte Domizil interessant sein: Teppiche registrieren, ob eine Person gestürzt ist, und aktivieren die Telefonanlage. An anderer Stelle präsentiert der Weltmarktführer von technischen Textilien mit Stoff bespannte Wandpaneele, die Lärm schlucken – wer plant, Trockenbauwände in seiner Wohnung zu ziehen, könnte diese schmutzfreie Alternative vorziehen.

Ungebrochen ist die Sehnsucht nach Klassikern, nach Bewährtem – und zwar nicht in biederen Landhausformen, sondern den schlanken, mal konischen, mal futuristischen Linien der Nachkriegszeit. So bringt die deutsche Firma Knoll etwa den „Easy Chair 375“ von 1957 als Reedition zurück auf den Markt. Ob Beistelltische, Cocktail-Sessel oder Stoffe in Retro-Mustern: Wer den „Mid-Century Modern“-Stil mag, wird auf der Möbelmesse Denkanstöße zum Dekorieren finden.

Besonders bemerkenswert – zumal viele Originalstücke aus den Fünfzigern und Sechzigern mittlerweile zu absurden Preisen gehandelt werden – ist die Lampenmanufaktur Delightfull aus Portugal. Sie präsentiert schöne, auch dramatisch-stattliche Neubauten von Vintage-Leuchten, die dem digitalen Alltag ein ehrliches und elegantes Styling entgegensetzen. In US-Metropolen und in Großbritannien haben Möbelfans den „Mid-Century“-Stil seit der Serie „Mad Men“ längst umarmt – auch die Deutschen könnten dieses Jahr anbeißen. „Sie sind Europameister im Möbelkaufen“, weiß Geismann. Jeder Dritte will 2016 Geld für eine neue Wohnzimmereinrichtung locker machen.

Die Publikumstage für alle Besucher sind Freitag, Samstag und Sonntag. Tickets kosten im Online-Vorverkauf 13 Euro. An der Tageskasse sind sie zum Preis von 23 Euro zu haben. Weitere Infos: www.imm-cologne.de

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