Klima in der Koalition wird rauer Nahles lehnt Änderungen am Mindestlohn kategorisch ab

BERLIN · Rund drei Monate nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro je Stunde wird das Klima in der Koalition bei diesem Thema rauer. Während die zuständige Ministerin, Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) , Änderungen kategorisch eine Absage erteilte, laufen Wirtschaftspolitiker der Union Sturm.

Christian von Stetten, CDU-Abgeordneter aus Hohenlohe und Chef des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand, verlangt von Nahles ultimativ Änderungen. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er: "Wenn Frau Nahles sich weiterhin weigert, die notwendigen Änderungen am Mindestlohngesetz vorzunehmen, dann ist die Kanzlerin gefordert." Merkel müsse dann, so von Stetten weiter, "von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und Nahles eine Anweisung erteilen." Jetzt müssten Signale von Nahles kommen. Von Stetten: "Sollten wir am 21. April wieder in Berlin zusammen kommen und Frau Nahles hat immer noch nicht gehandelt, so werden wir unsere Gangart verschärfen."

In der Koalition ist verabredet, dass die Spitzen von Union und SPD am 23. April über mögliche Änderungen beraten. Nahles lobte gestern einmal mehr den gesetzlichen Mindestlohn und bezeichnete ihn als eine der "größten Sozialreformen".

Während es Nahles strikt ablehnt, Abstriche beim Mindestlohn zu machen, zeigt sie sich beim Arbeitszeitgesetz "gesprächsbereit". Das Gesetz sieht eine Arbeitszeit von maximal zehn Stunden am Tag vor. Im Zusammenhang mit Kontrollen beim Mindestlohn zeigt sich aber, dass in etlichen Branchen und Betrieben die Zehn-Stunden-Grenze regelmäßig überschritten wird. Bislang fiel es nur nicht auf, weil selten kontrolliert wurde. Mit den Dokumentationspflichten, die das Mindestlohngesetz den Unternehmen auferlegt, dürften nun systematische Verstöße in bestimmten Branchen gegen das Arbeitszeitgesetz offensichtlich werden.

Die Abgeordneten von Stetten und der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Joachim Pfeiffer, haben im Auftrag von Fraktionschef Volker Kauder eine Mängelliste zum Mindestlohn erstellt, die der Ministerin übergeben werden soll. Von Stetten nannte im Gespräch mit unserer Zeitung Beispiele, an welcher Stelle Nahles nachbessern müsse: Die Dokumentationspflichten seien "überbordend".

Bei Arbeitnehmern, die weniger als 2958 Euro im Monat verdienen und aus bestimmten Branchen kommen, müsse penibelst Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit notiert werden. Diese Grenze sei viel zu hoch. Dafür müsse ein Arbeitnehmer, der 8,50 Euro verdient, "zwölf Stunden täglich und 29 Tage im Monat arbeiten" . Von Stetten fordert, dass die Grenze auf 1900 Euro abgesenkt wird.

Auf dem Arbeitnehmerflügel sieht man die Sache ähnlich: Peter Weiß, Chef der Arbeitnehmergruppe in der Fraktion, sagte: Der Zoll, der seit Anfang März die Einhaltung des Mindestlohns kontrolliere, habe deutlich gemacht, dass er ohnehin keine Arbeitnehmer mit Einkommen über 2000 Euro kontrolliere. "Also kann man diese Grenze auch runtersetzen."

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