Landarztquote in NRW Nachwuchsmangel bei Ärzten auf dem Land

BONN · Der Nachwuchsmangel bei Ärzten könnte drastische Folgen haben. Derzeit stehen Köln und Bonn im Vergleich gut da. Ein Blick auf die Region und die Beliebtheit der Landarztquote.

Das Arztnetz in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist dichter geworden. Dennoch ist das Bundesland im deutschlandweiten Vergleich nur Mittelmaß. Die Kassenärzte-Region Nordrhein – zu der auch Bonn und Köln gehören – liegt laut Daten des Bundesarztregisters auf Platz vier von 17. Es gibt in der Region durchschnittlich 225,1 Ärzte pro 100.000 Einwohner.

Bonn steht NRW-weit mit 325,6 Ärzten und Psychotherapeuten pro 100.000 Einwohner mit einer Zulassung für die Versorgung gesetzlich versicherter Kassenpatienten am besten dar (siehe Infografik). Die Stadt liegt damit bundesweit auf Platz fünf. Dahinter folgen Münster (308) und Köln (267,1). Die Unterschiede zwischen einzelnen Städten und Kreisen sind teilweise enorm – besonders im ländlichen Bereich wird es immer schwieriger, Nachwuchs zu finden.

Auch Christopher Schneider, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), bestätigt mit Blick auf die Hausärzte-Situation: „In Bonn sind wir besonders gut aufgestellt“. Daten der KVNO vom 16. Januar 2019 belegen, dass es für die 369.105 Einwohner im Planungsbereich knapp 245 Hausärzte gibt. Damit liegt der prozentuale Versorgungsgrad bei 114 Prozent. „Ab 110 Prozent sprechen wir von einer Überversorgung und sperren die Optionen für Neuzulassungen“, so Schneider.

Bereits bestehende Praxen könnten weiterhin existieren und gleichermaßen den Besitzer wechseln, neue Praxen würden jedoch nicht genehmigt. Von einer formalen Unterversorgung gehe man ab einem Wert von weniger als 75 Prozent aus. In den Übersichtswerten für Köln, Bonn und die umliegende Region findet man solche Werte aktuell nicht.

Aktuell ist der Versorgungsgrad gesichert

Den größten Bedarf gibt es in Wermelskirchen. Dort liegt der Versorgungsgrad mit 16 Hausärzten bei 74,3 Prozent – acht weitere wären also zulässig. Bislang ist der Ärztemangel in der Region noch nicht so drastisch, wie in ländlicheren Kreisen. „Doch im ganzen Rheinland haben wir den Umstand, dass jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt ist“, erklärt der Pressesprecher. Weil viele junge Ärzte lieber in Großstädten arbeiten und einen Facharzttitel anstreben, vergrößert der Nachwuchsmangel das Problem. Schneider ist allerdings zuversichtlich: „Die Politik hat das Problem erkannt und die Landarztquote eingeführt.“ Ab dem kommenden Wintersemester gibt es in Nordrhein-Westfalen 145 Landarzt-Studienplätze.

In dem zweistufigen Verfahren wird erst die Abiturnote und der Test für Medizinstudiengänge mit je 30 Prozent und eine Ausbildung oder berufliche Tätigkeit mit 40 Prozent gewichtet. Dann folgen Auswahlgespräche. Aus den Ergebnissen beider Bewerbungsstufen wird eine Gesamtrangliste gebildet.

Der Platz ist für die werdenden Ärzte an die Bedingung geknüpft, nach der Aus- und Weiterbildung zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Bei Vertragsbruch drohen Strafzahlungen in Höhe von 250.000 Euro. Auf diese Weise soll jeder 13. neue Medizinstudienplatz vergeben werden.

Beliebtheit der Landarztquote

Bis zum 30. April dieses Jahres waren insgesamt sind 1312 Bewerbungen eingegangen. Für das Sommersemester 2020 stehen weitere 25 Studienplätze zur Verfügung. Dennoch kann man laut Schneider niemanden zwingen, die entsprechende Richtung einzuschlagen. „Viele wollen sich spezialisieren und in der Gesellschaft hat sich einiges verändert.“ Die klassische Ein-Mann-Praxis auf dem Land sei ein Auslaufmodell, besonders mit Hinblick auf die Ärztinnen. „Eine Halbtagsbeschäftigung in einem größeren Ärztezentrum ist für viele attraktiver und besser vereinbar mit ihrer Familien- und Freizeitplanung“, so der Pressesprecher.

Dass bereits jetzt das Empfinden in der Gesellschaft deutlich negativer ist, als die aktuellen Zahlen, wundert ihn nicht: „Wenn langjährige Praxen für immer schließen und weiter Konzentrationsprozesse stattfinden, kann es sich natürlich für die Menschen vor Ort ganz anders anfühlen“, so Schneider.

Der approbierte Arzt Johannes Porz vom Institut für Hausarztmedizin am Uniklinikum Bonn blickt teilweise kritisch auf die Landarztquote: „Es gibt auch viele andere Fachbereiche, die Nachwuchsmangel haben.“ So würden beispielsweise Hautärzte und Chirurgen in Krankenhäusern ebenfalls händeringend gesucht.

„Und wer kann als so junger Mensch schon so eine Verpflichtung eingehen? Besser wäre es doch, die Studierenden bereits während des Studiums zu begeistern.“ Die Schwierigkeiten und Herausforderungen für kommende Ärzte sieht er dennoch als „riesen Herausforderung“: „Wenn es weder Apotheke noch andere Kollegen an einem Ort gibt, ist es für Ärzte natürlich doppelt schwierig, sich dort für eine Praxis zu entscheiden.“

Neben der höheren Einzelverantwortung ginge es schließlich ebenfalls um eine Wirtschaftlichkeit. Dennoch sollte man laut Porz eher eine Struktur schaffen, die es werdenden Ärzten leichter macht, nach ihrem Studium wieder an ihrem Heimatort zurückzukehren. „Wer aus der Großstadt kommt, für den dürfte es eine enorme Herausforderung sein.“

Dazu kommt, dass selbst die Studierenden, die sich im Wintersemester dieses Jahres für einen der Landarzt-Studienplätze entscheiden, erst etwa zehn Jahre später mit Studium und Ausbildung fertig sein werden. Christopher Schneider blickt auf weitere Instrumente gegen den Mangel: „Der Quereinstieg für ältere Klinikärzte, die in die Allgemeinmedizin wechseln wollen, wird erleichtert.“ Weiter würde in Ostwestfalen-Lippe am Hochschulstandort Bielefeld eine neue Medizinische Fakultät mit 300 Studienplätzen ab 2022 eingerichtet.

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