Praxis am Airport Köln/Bonn Mit dem Flieger zum Zahnarzt

KÖLN/BONN · Bohrer surren, Sauger zischen, Wasser plätschert, Flugzeugmotoren dröhnen - typische Geräusche in der Zahnarztpraxis von Jochem Heibach. Moment mal - Flugzeuge? In der Praxis am Airport Köln/Bonn gehört das zum Alltag.

 Für Zahnarzt Jochem Heibach geht es am Flughafen nicht in den Urlaub, sondern zur Arbeit.

Für Zahnarzt Jochem Heibach geht es am Flughafen nicht in den Urlaub, sondern zur Arbeit.

Foto: DENTAL SUITE

Hier können Patienten während ihrer Zahnreinigung Flugzeuge bei Start und Landung beobachten. "Das ist das Aufregende bei uns. Man hat das Gefühl, mit dem Koffer in der Hand zum Abflug bereitzustehen", sagt Zahnarzt und Praxiseigentümer Heibach.

Die "Dental Suite" war eine der ersten Zahnarztpraxen in Deutschland, die sich in einen Flughafen verirrt haben. Seit 2007 behandelt Heibach in Terminal 1 A/B direkt über dem Zugang des ICE-Bahnhofs. Vorbei am modern eingerichteten Empfangsbereich, am Schminkzimmer für Stewardessen entlang, geht es in eines der Behandlungszimmer. Hier sitzt Gisela Pridöhl auf dem Behandlungsstuhl. Die Patientin nimmt schon seit mehreren Jahren die über dreißigminütige Autofahrt auf sich, um von ihrem Heimatort Eitorf zur Flughafenpraxis zu gelangen.

"Ich hatte furchtbare Angst vor dem Zahnarztbesuch und habe es schon bei mehreren Ärzten probiert", schildert sie. Schließlich sei sie durch eine Freundin zu Heibach gekommen. "Er hat mir die Angst genommen. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch", sagt sie.

"Hier kommt wirklich alles her", beschreibt der Flughafenzahnarzt seine Patienten - auch Promis. Da kann es schon mal sein, dass eine berühmte Schauspielerin auf der Durchreise vorbeikommt. Damit will der 55-Jährige aber nicht werben, ihm liege der Kofferträger genauso am Herzen wie der Fußballstar. Anfangs dachte er, dass hauptsächlich Fluggäste kommen. "Wir stellten schnell fest, dass das nicht der Fall ist", schildert Heibach.

Der Patientenstamm seien die 12 300 Flughafenmitarbeiter - vom Lagerarbeiter über die Managerin bis hin zum Piloten. Zunehmend kommen aber auch Patienten aus der Region Köln, Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. "Das Schöne ist, dass Köln/Bonn ein Stadtflughafen ist. So ist er entgegen unseren Erwartungen auch zu einem ganz normalen Standort für eine Zahnarztpraxis geworden", schildert Heibach, der eine weitere Praxis in Rösrath leitet.

Vielreisende, wie Geschäftsleute, kommen gezielt zur Zahnkontrolle vor oder nach ihrem Flug. Das spart Zeit. Für beruflich stark Eingespannte ist samstags und sonntags geöffnet. Nicht selten wollen sich auch ausländische Patienten behandeln lassen. Verständigungsprobleme gibt es in der Praxis jedoch selten. "Zusammen mit der Rösrather Praxis decken wir 13 Sprachen ab", sagt Heibach. Viele seiner Mitarbeiter kommen zum Beispiel aus Russland.

Den weitesten Weg mit einer Luftlinie von über 11 000 Kilometern nahm eine Patientin aus der Nähe von Wladiwostok auf sich. Das liegt im östlichsten Teil Russlands an der chinesischen Grenze. "Es war eine faszinierende Begegnung, ich hatte fast Tränen in den Augen", berichtet Heibach.

Die Frau hatte die Praxis im Internet aufgetrieben und war acht Stunden bis Moskau geflogen, um von dort nach Köln/Bonn zu reisen. Stichwort: Medizintourismus, keine Seltenheit in der Region. Vor allem Patienten aus der Schweiz und aus England suchen Heibach auf, da es zeitlich und finanziell kein großer Aufwand ist. "Die Engländer und Schweizer schätzen unsere Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis", erklärt er.

Oft behandelt Heibach auch arabische Patienten oder solche aus Russland und der Ukraine. Diese kämen teilweise sogar mit ihren eigenen Fliegern. Der arabische Scheich brauche natürlich eine herrschaftliche Unterkunft. Und so organisieren Heibach und seine Mitarbeiter bei Bedarf auch Hotelbuchung, Transport, Dolmetscher oder das Abendprogramm. Wie viel der Rundumservice kostet, möchte Heibach nicht verraten. Da die ausländischen Patienten keine deutsche Krankenversicherung haben, läuft die Abrechnung über Dienstleister im Medizintourismus.

Der Start im Flughafen lief für Heibach schleppend. Seine Praxis war von Beginn an an sieben Tagen in der Woche geöffnet. "Das war ein Riesenproblem, da wir noch nicht einen Patienten hatten", schildert er. "Die ersten ein, zwei Jahre waren schon ziemlich mutig und kostenintensiv", gibt er zu.

Nur durch den Hauptsitz in Rösrath sei es möglich gewesen, die Durststrecke zu überstehen. Mittlerweile arbeiten 55 Ärzte, Sprechstundenhilfen und weitere Angestellte hier und in Rösrath. Die 250 Quadratmeter großen Räumlichkeiten im Flughafen teilt sich Heibach mit dem Allgemeinmediziner Jens Knitter. Im Schnitt finden etwa 100 Patienten am Tag ihren Weg in die Gemeinschaftspraxis, allein 40 bis 50 zu Heibach.

Zurück im Behandlungszimmer. Olga Skontas ist an der Reihe. Die Flughafenmitarbeiterin kommt seit drei Jahren in die Praxis. "Ich bin Filialleiterin bei einem Herrenausstatter im Flughafen", sagt sie und setzt sich auf den Zahnarztstuhl. Im selben Moment landet ein Flugzeug. An Bord befindet sich vielleicht schon der nächste Fall für Jochem Heibach.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort