Betrugsprozess gegen die Deutsche Bank Mehr Zweifel als Gewissheiten

MÜNCHEN · Es gibt einfachere Prozesse für einen Wahrheitssuchenden. "Ich kann niemand in den Kopf schauen", sagt Richter Peter Noll an einem Verhandlungstag, an dem man die stickige warme Luft im Saal 274 des Landgerichts München fast mit dem Messer schneiden kann.

 Seit drei Monaten stehen fünf Top Manager der Deutschen Bank vor Gericht. FOTO: DPA

Seit drei Monaten stehen fünf Top Manager der Deutschen Bank vor Gericht. FOTO: DPA

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Das müsste er aber, um nicht nur herauszufinden, ob die fünf Angeklagten einmal gelogen haben, sondern auch warum sie es angeblich getan haben. Seit drei Monaten stehen Jürgen Fitschen als Co-Chef der Deutschen Bank und vier hochrangige Ex-Kollegen zu diesem Zeitpunkt vor dem Kadi. Wer den Wirtschaftsprozess verfolgt, wird bisweilen gut unterhalten. Gedrängt, ein fundiertes Urteil zu sprechen, fühlt man sich nicht.

2011 sollen sich die fünf angeklagten Banker zur Falschaussage verschworen haben. Das Quintett habe versucht, der Deutschen Bank eine Schadenersatzforderung in Milliardenhöhe zu ersparen. In Regress genommen wurde die erst von Pleitier Leo Kirch und nach seinem Tod von dessen Erben. "Erschossen hat mich der Rolf", hat Kirch immer wieder behauptet und damit den langjährigen Deutsche Bank-Chef Rolf Breuer gemeint. Der sitzt neben Fitschen und dessen Nachfolger Josef Ackermann sowie Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck und dem früheren Aufsichtsratschef Clemens Börsig sozusagen als Hauptangeklagter auf der Anklagebank. Der vermeintliche Todesschuss war ein Breuer-Interview 2002, in dem dieser öffentlich die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe in Frage gestellt hatte. Ein paar Monate später war sie pleite.

Über ein Jahrzehnt haben Kirch und dessen Erben vor Gericht erbittert mit der Deutschen Bank um Schadenersatz gestritten. Als 2011 eine Niederlage der Frankfurter greifbar wurde, hat das heute im Wirtschaftsstrafprozess vor Gericht stehende Banker-Quintett vor dem Oberlandgericht (OLG) München ausgesagt. Nein, es habe keine Strategie gegeben, Kirch unter Druck zu setzen, um von ihm ein lukratives Beratungsmandat zu erzwingen, war der gemeinsame Tenor.

OLG-Richter war damals Guido Kotschy, ein Vertreter seiner Zunft, den man fraglos einen Bankenschreck nennen darf. Er hat den Bankern nicht geglaubt und die Bank zu Schadenersatz verurteilt. Mit den Kirch-Erben hat sich das Kreditinstitut dann zivilrechtlich auf einen Vergleich in Höhe von 925 Millionen Euro verständigt. Aber strafrechtlich hat die Sache nun ein Nachspiel, weil den fünf Bankern wegen ihrer damaligen Aussagen versuchter Prozessbetrug vorgeworfen wird.

Damit wäre man bei Nolls Dilemma. Der bisherige Wirtschaftsstrafprozess hat zwar immer wieder enthüllt, dass zumindest einige der Banker vor dem OLG nicht ganz die Wahrheit gesagt haben. Aber ob sie das in der Absicht getan haben, ihrem Arbeitgeber Schadenersatz zu ersparen oder nur aus falscher Erinnerung heraus? Dazu müsste man in die Köpfe sehen können oder zumindest Zeugen haben. Die aber sind mittlerweile rar geworden.

Denn neben den jetzt Angeklagten gibt es im Verfahren noch eine Vielzahl weiterer Beschuldigter, die mit einer Anklage rechnen müssen. Viele davon waren als Zeugen vorgesehen, verweigern aber ihre Aussage, um der Gefahr zu entgehen, sich selbst zu beschuldigen. Das geht rechtlich völlig in Ordnung, aber es erschwert die Wahrheitsfindung immens. Dazu kommen Erinnerungslücken. Die sind bei Vorfällen, die teils über 13 Jahre zurückliegen, nachvollziehbar.

Nicht vergessen darf man allerdings, dass der Gerichtssaal und seine Zeugen nicht alles sind. Es gibt auch viele Dokumente, die Staatsanwälte bei einer Razzia bei der Deutschen Bank oder anderweitig beschlagnahmt haben.

Schon beim OLG-Prozess waren es Dokumente wie ein Vorstandsprotokoll der Deutschen Bank, das den Bankern letztlich zum Verhängnis wurde und zum Schuldspruch geführt hatte. Andererseits hat Noll die Latte für eine Verurteilung hoch gehängt. Die gäbe es nur, wenn an einer Schuld der Angeklagten keine vernünftigen Zweifel bestünden. Die Stirn des Richters, der in vielem wie ein Gegenentwurf zu Kotschy wirkt, schlug bei diesen Worten tiefe Falten des Zweifels. Ein Freispruch aus Mangel an Beweisen würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht verwundern. Gleiches gilt für eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Das wäre zwar nur ein Sieg zweiter Klasse, speziell dem 77-jährigen Breuer dürfte das egal sein. Bis Mitte Oktober sind Verhandlungstermine angesetzt. Aber so lange muss es nicht mehr dauern.

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