"Laut Gesetz müssen wir fördern und fordern"

Arbeitsloser aus Bad Godesberg kritisiert die Praxis des Bonner Arbeitsamtes bei der Verteilung von Seminaren

Bonn. "Job-Aqtiv", Bildungsgutscheine, private Personalvermittler, Jobagenturen. Die konjunkturelle Situation ist schlecht, die Zahl der Arbeitslosen wächst. Mobilität und Flexibilität sind gefordert.

Als Harald Wittmann in das "Aktiv Center" eingeladen wurde, hoffte er, einen Schritt nach vorn zu machen. Der Godesberger ist seit Ende vergangenen Jahres erwerbslos. Sein Arbeitgeber meldete Konkurs an.

Das Arbeitsamt schickte Wittmann zur Deutschen Angestellten Akademie (DAA) in Bonn. Bereits nach der Begrüßung wähnte sich Wittmann im falschen Seminar. Der vierwöchige Kurs war ein Bewerbungstraining nach dem Motto "Wie bewerbe ich mich richtig?"

"Was soll ich in so einem Kurs? Ich war jahrelang Dozent bei einer Unternehmensberatung und habe dort Orientierungskurse für Arbeitslose gegeben. Ich habe ihnen beigebracht, wie man sich richtig bewirbt. Was soll ich dort lernen?", fragte Wittmann seinen Arbeitsberater.

Außerdem wolle er sich in wenigen Monaten selbstständig machen. "Das wusste der Berater ganz genau", sagt der Godesberger. Doch trotz mehrerer Anrufe und Besuche beim Arbeitsamt war nichts zu machen. Wittmann müsse den Kurs besuchen, sonst werde das Arbeitslosengeld gekürzt.

"Nach der Änderung des Gesetzes müssen wir fördern und fordern. Uns wurde immer vorgeworfen, wir würden uns nicht genug um die Arbeitslosen kümmern", sagt Paul Moser, Sprecher des Arbeitsamtes in Bonn.

"Aktivieren und mobilisieren" hießen die Schlagworte des Job-Aqtiv-Gesetzes vom 1. Januar 2002. Die Bewerbungstrainings dienten der Findung von Stärken und Schwächen der Arbeitslosen. Dafür bediene man sich auch Dritter, weil die Arbeitsvermittler mit dieser Aufgabe überfordert seien.

Da die Inhalte der Kurse variieren, hätte Wittmann sicher auch noch etwas lernen können, sagt Moser. "Herr Wittmann und das Arbeitsamt waren offensichtlich unterschiedlicher Auffassung. Das war möglicherweise ein Grenzfall", sagt Moser. Er geht davon aus, dass es sich um einen Einzelfall handelt.

Harald Wittmann kann das gar nicht glauben, wenn er an die Runde seiner Mitteilnehmer denkt. "Da sind sicher Leute dabei, die das Training gut gebrauchen können. Aber was soll ich mit meiner Vorbildung dort?"

Außerdem bemängelt der Godesberger, dass das Seminar bunt gemischt sei. "Da sitzen Projektleiter neben Verkäuferinnen und einem Ausländer, der kaum Deutsch versteht und eigentlich nur einen Führerschein für den Gabelstapler machen wollte. In dieser Zusammensetzung kann man den Bedürfnissen der Einzelnen nicht nachkommen", sagt Wittmann.

Weitere Kursteilnehmer seien ein Asiate, der bereits einen Arbeitsvertrag habe und im September seinen neuen Job beginne, sowie ein Vorruheständler, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, aber - mit einer Abfindung bedacht - gar keinen neuen suchen will.

"Mit dieser Praxis werden öffentliche Gelder verschwendet." Zu diesem Ergebnis kommt Inge Meier (Name von der Redaktion geändert). Sie ist freiberufliche Trainerin und gibt Kurse im Auftrag des Arbeitsamtes. Sie bildet zum Beispiel Frauen weiter, die in den Beruf zurück wollen. Sie werden für Bürotätigkeiten qualifiziert.

"Da sind eine ganze Menge Leute, die da nicht hingehören. Frauen mit und ohne Ausbildung, Russinnen, die kein Wort Deutsch sprechen, eine Türkin, die Krankenschwester ist und diesen Job wieder ergreifen will", berichtet Meier.

Sie kritisiert das Arbeitsamt: "In einem Kurs über Betriebswirtschaftslehre saß ein Mann, der auf die Frage, was er denn von dem Seminar erwarte, antwortete "Ich will nur Bagger fahren."

Doch liege die Schuld nicht nur beim Arbeitsamt. Im Gegenteil. Meier fordert auch von den Arbeitslosen mehr Einsatz. "Immer nur nehmen, das kann nicht funktionieren. Da war zum Beispiel eine Arztfrau, die nach dem Erziehungsurlaub wieder in den Beruf wollte. Die hat sich vom Arbeitsamt einen Computerkurs bezahlen lassen. Das wäre wohl nicht nötig gewesen."

Selbst aktiv geworden ist auch Wittmann. Er bildet sich neben seinem Bewerbungstraining in Abendkursen zum Internet-Fachmann weiter.

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