Versicherer wollen Beiträge erhöhen Krankenkassen rutschen ins Minus

FRANKFRURT · Nach den privaten Versicherern könnten auch die gesetzlichen künftig höhere Aufschläge einfordern. Höhere Leistungen, die die große Koalition beschlossen hatte, etwa eine bessere Pflege in Krankenhäusern oder ein Rechtsanspruch auf ärztliche Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Operationen, gehen mit Mehrkosten von 40 Milliarden Euro ins Geld.

 Wird ärztliche Behandlung teurer? Krankenkassen klagen über Mehrkosten von 40 Milliarden Euro.

Wird ärztliche Behandlung teurer? Krankenkassen klagen über Mehrkosten von 40 Milliarden Euro.

Foto: pa/obs/GlaxoSmithKline GmbH & Co

Die Krankenversicherung könnte bald wieder in den Fokus geraten, womöglich grundsätzlicher als zuletzt. Da hatten private Krankenversicherer mit teils drastischen Beitragserhöhungen für Aufregung gesorgt, die genossenschaftliche R+V etwa mit Aufschlägen bis 16,4 Prozent oder die große Deutsche Krankenversicherung (DKV)mit Beitragssteigerungen bis zu 9,3 Prozent.

Schon melden sich auch die gesetzlichen Krankenkassen zu Wort. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, bereitet Versicherte, Öffentlichkeit und letztlich auch die Parteien auf schlimme Folgen schlechter Zustände vor. Die Kassen „rutschen absehbar wieder ins Minus, obwohl die Wirtschaft brummt, der Arbeitsmarkt sehr robust ist und die Löhne steigen“, meldete seine Pressestelle. Höhere Leistungen, die die große Koalition beschlossen hatte, etwa eine bessere Pflege in Krankenhäusern oder ein Rechtsanspruch auf ärztliche Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Operationen, gehen mit Mehrkosten von 40 Milliarden Euro ins Geld. Dabei hätten die Kassen schon genug Schwierigkeiten. Seit Jahren, so Litsch, stiegen die Ausgaben schneller als die Einnahmen, und zwar um eineinhalb bis zwei Prozentpunkte.

Wo das hinführt, war schon am Jahresanfang zu sehen: Da hatte vor allem die drittgrößte gesetzliche Kasse, die DAK Gesundheit, Aufmerksamkeit erregt. Sie verlangte von ihren 6,1 Millionen Versicherten von Januar an 16,1 Prozent des Bruttoeinkommens – das sind 0,6 Prozentpunkte mehr als 2015. Problematisch ist, dass der Gesetzgeber für 2016 und 2017 einen festen Beitrag von 14,6 Prozent festgelegt hat. Den teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Höhere Sätze, im Schnitt sind es nun weitere 1,1 Prozentpunkte, zahlt der Arbeitnehmer alleine. 2015 lag dieser Aufschlag noch im Schnitt bei 0,9 Prozentpunkten. 2017 dürfte der Aufschlag weiter wachsen.

Diese Forderungen rückten dann ins Bundestagswahljahr 2017 hinein. Wird der Beitragsanteil der Arbeitgeber dann auch zulegen? Wird wieder mehr Solidarität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommen? Experten rechnen gar damit, dass im Wahlkampf das Thema „Einheitsversicherung“ herausgeholt wird. Mit dem Argument der „Zwei-Klassen-Medizin“, die dem Kassenpatienten nur schwer, dem Privatversicherten aber flott einen Termin beim Facharzt oder zum MRT ermöglicht, ließe sich der Wahlkampf anheizen. Doch eine Fusion von privater und gesetzlicher Krankenversicherung dürften die knapp neun Millionen Privatversicherten kaum dulden. Zudem stellen die Privatversicherten nur elf Prozent aller Versicherten, finanzieren das System aber zu 25 Prozent, während die 89 Prozent Pflichtversicherten 75 Prozent der Gesundheitskosten tragen. Viele Ärzte behaupten, ohne die oft deutlich über dem Kassensatz liegenden Rechnungen an die Privatversicherten könnten sie ihre Praxen nicht mehr wirtschaftlich betreiben.

Fürsprecher für eine Einheitsversicherung gibt es schon länger, zumal drei von derzeit vier Bundestagsfraktionen gegen die Privatversicherung eingestellt sind. Die wird aber das Bundesverfassungsgericht womöglich auf ihre Seite ziehen können. Denn die privaten Krankenversicherungen haben rund 200 Milliarden Euro an Altersrückstellungen aufgebaut. Deren Ertrag und Substanz soll helfen, die Beitragssteigerungen der Kunden im Alter zu dämpfen. Die 200 Milliarden hätte ein Einheitssystem wohl gerne. Aber sie gehören nun mal nicht allen Krankenversicherten, sondern nur den Privaten. Abgesehen davon, dass auch solche Reserven in fünf bis zehn Jahren verbraucht wären, wenn keine Kostendämpfung in Gang gesetzt würde.

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