Urteil zu Gesundheitsfonds Krankenkassen kämpfen ums Geld - Versicherungsamt unterliegt vor Gericht

Köln · Das Wort ist ein Ungetüm: Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Der "Morbi-RSA" soll in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dafür sorgen, dass die unterschiedliche Belastung der Kassen durch kranke und schwerkranke Versicherte ausgeglichen wird.

Mit diesem Ziel berechnet der Gesundheitsfonds, in dem Beitragseinnahmen und Bundeszuschüsse zusammenlaufen, bei seinen Geldzuweisungen an die Krankenkassen Zuschläge für 80 Krankheitsbilder.

Der Gesundheitsfonds, der vom Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn verwaltet wird, besteht aus zwei Töpfen. Aus Topf eins werden nach Alter und Geschlecht abgestufte Grundpauschalen je Versicherten gezahlt. Aus Topf zwei fließen die Risikozuschläge, entsprechend der durchschnittlichen Kosten für die Behandlung von Krankheiten.

Die Kritik, dass Kassen mit kranken und schwerkranken Versicherten zu wenig und Kassen mit gesunden Mitgliedern zu viel aus dem Fonds bekämen, diente in der Vergangenheit auch als Begründung für Schließungen, Fusionen und Zusatzbeiträgen. Ein besonderes Kapitel sind Sterbefälle, die teure Behandlung von Versicherten, die im Jahresverlauf sterben.

Die Ortskrankenkassen und andere Kassen mit vielen sterbenskranken Versicherten beklagen seit Langem, dass es dafür wegen einer unzulänglichen Berechnungsformel zu wenig Geld aus dem Fonds gibt. Nun haben erstmals zwei Kassen mit ihrer Opposition vor Gericht obsiegt.

Das Landessozialgericht NRW in Essen entschied zugunsten der AOK Nord-Ost und der Deutschen BKK (Betriebskrankenkasse), das BVA müsse für 2013 die Berechnungsformel korrigieren. Das Gericht moniert, die Ausgaben für Verstorbene gingen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge für die jeweilige Risikogruppe ein, sodass die Summer der Zuweisungen nicht mehr der Summe der Ausgaben entspreche. Mit anderen Worten: Zu wenig Geld für Sterbefälle. Revision der Urteile ist zugelassen.

Man könnte meinen, dies sei ein Thema für Rechenkünstler und Statistiker. Weit gefehlt. Experten sprechen von einem Verteilungskampf zwischen den Kassen. Müsste aus Topf zwei mehr für Sterbefälle aufgebracht werden, bliebe für Topf eins weniger übrig. Es gäbe Gewinner und Verlierer.

Das Umverteilungsvolumen wird auf 300 bis 400 Millionen Euro jährlich taxiert. Deshalb sind Kassen mit überwiegend gesunden Versicherten gegen eine Korrektur und dagegen, dass es "mehr Geld für Tote und weniger für Lebende" gibt.

Das BVA wird die Sache vermutlich vor das Bundessozialgericht bringen. Angeblich habe der noch amtierende Gesundheitsminister Bahr zur Revision "geraten". Bahr hatte schon 2012 die vom Wissenschaftlichen Beirat des BVA empfohlene Korrektur der Zuweisungen für Sterbefälle blockiert.

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