Im digitalen Niemandsland Vielerorts Lücken bei der Empfangsqualität im Bonner Raum

Bonn/Region · Die Empfangsqualität lässt bundesweit besonders in ländlichen Gegenden zu wünschen übrig. Der Köln/Bonner Raum ist zwar gut versorgt, doch klaffen auch dort vielerorts Lücken. Manch einer ist in seinem Job dadurch beeinträchtigt.

Köln/Bonner Raum: Vielerorts Lücken bei der Empfangsqualität
Foto: dpa/Andreas Arnold

Wenn Uwe Schölmerich in den Wald fährt, nimmt er immer mindestens zwei weitere Personen mit. Alleine fährt der Leiter des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft in Eitorf schon lange nicht mehr in das Gehölz. Grund: das lückenhafte Mobilfunknetz. „Die Rettungsketten funktionieren nicht gut“, erklärt Schölmerich. Ob er bei einem Arbeitsunfall einen Notruf absetzen könne, sei nicht sicher. Die zahlreichen Funklöcher in Deutschland kosten die Smartphonenutzer Nerven. Nicht nur in den dünn besiedelten Landstrichen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommens: Auch im insgesamt gut abgedeckten Köln/Bonner Raum gibt es stellenweise Probleme.

„Mit zuverlässigem Netz wäre eine schnellere Hilfe möglich“, sagt Schölmerich. In Teilen des Vorgebirges sei zum Beispiel gar kein Netz zu finden, es gebe Ecken, die von keinem Telekommunikationsanbieter bedient würden. So müssten die Förster immer zu dritt unterwegs sein: Eine Person könne im Notfall beim Verletzten bleiben, die dritte Person müsse dann mit dem Auto in ein Gebiet fahren, wo Netz zu finden sei, um den Notarzt zu kontaktieren. Dies könne durchaus zehn Minuten dauern. Das bedeute auch für Waldbesucher ein Risiko. Was, wenn jemand einen Herzinfakt erleidet?

Der Landwirtschaft bereiten die Funklöcher ebenfalls Probleme. „Wir können unsere Mitarbeiter zum Teil nicht erreichen, wenn sie im Feld sind“, sagt Michael Schmidt vom Arbeitskreis Landwirtschaft, Wasser und Boden im Rhein-Sieg-Kreis (ALWB). Und insbesondere beim sogenannten Precision Farming sei die schlechte Netzabdeckung ein „Riesenproblem“, so Schmidt. Für diese „Präzisionslandwirtschaft“ werden GPS-betriebene Maschinen verwendet. Sobald beispielsweise eine Düngemaschine in ein Funkloch gerate, müsse der Landwirt die Lenkung selbst übernehmen – die Düngung werde viel ungenauer. „Vor allem im rechtsrheinischen Gebiet sind viel zu häufig die Signale weg“, beklagt Schmidt. Er hoffe, dass es bald ein eigenes Signal für die Landwirtschaft geben wird. Testphasen seien bereits angelaufen.

Neue Karte der Bundesnetzagentur

Wie gut oder wie schlecht ist das Mobilfunknetz in Deutschland? Zumindest einen groben Überblick vermittelt eine Karte, die die Bundesnetzagentur in der vergangene Woche unter der Adresse breitbandmessung.de im Internet veröffentlicht hat. Dort lässt sich ablesen, wie stark der Empfang ist – ob er dem bislang schnellsten Mobilfunkstandard 4 G (LTE) gerecht wird oder ob Mobilfunknutzer nur mit 3 G (UMTS) oder 2 G (GSM) unterwegs sind.  Oder ob überhaupt Empfang besteht. Grundlage ist die Funkloch-App, die die Netzagentur im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vor gut einem Jahr ins Leben gerufen hat. Damit werden die Bürger mit ihren Smartphones selbst zu Funklochmeldern.

Die App wurde laut Bundesnetzagentur im ersten Jahr 187 000 Mal installiert, es wurden knapp 160 Millionen Messpunkte gemeldet.  „Nun besteht die Möglichkeit, die ermittelten Werte einzusehen und diese beispielsweise mit den selbst ermittelten eigenen Ergebnissen zu vergleichen“, sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Nach wie vor können sich Bürger via App beteiligen. Die Ergebnisse auf der Karte würden wochenweise aktualisiert, ergänzt Michael Reifenberg, Sprecher der Bonner Behörde. Allerdings gebe die Übersicht keine abschließende Auskunft über die Leistungsfähigkeit des Netzes oder über verfügbare Technologien der Betreiber. Schließlich hätten die App-Nutzer unterschiedliche Endgeräte und Mobilfunkverträge, in denen etwa das verfügbare Datenvolumen individuell geregelt ist.

Größtenteils gut versorgt

Nimmt man die Karte der Netzagentur zum Maßstab, dann ist der Köln/Bonner Raum größtenteils gut versorgt. Doch schon an Stadträndern und vor allem in dünner besiedelten, ländlichen Gebieten schwächelt der Empfang – im Bergischen Land etwa oder in der Eifel. In hügeligen Regionen wurden die topografischen Gegebenheiten die Mobilfunkwellen bremsen, sagt Markus Jodl, Sprecher der Deutschen Telekom. „Je schöner die Menschen wohnen, desto schwieriger wird die Versorgung.“

In diesem und im kommenden Jahr errichtet die Telekom nach eigenen Angaben 4000 Mobilfunk-Standorte. Hinzu kommen 50 Orte in einem Sonderprogramm: Mit ihrer neuen Aktion „Wir jagen Funklöcher“ lädt sie Kommunen ein, sich für den Ausbau zu bewerben. Sie müssen nur einen Ratsbeschluss vorweisen. Bislang ging die Telekom auf die Kommunen zu, wenn sie Potenzial für einen Ausbau sah. „Doch so ein Prozess zieht sich lange hin“, sagt Jodl. „Wir haben die Systematik verändert, so dass wir auf einer ganz anderen Gesprächsebene als bislang einsteigen.“  180 Kommunen hätten sich seit August beworben, bis zum Ende der Frist am 30. November rechnet Jodl mit etwa 300.

Ansprüche steigen

Warum nur 50 Plätze vergeben werden? Jodl: „Wir wollen ja nicht nur Auszeichnungen verteilen, wir müssen Stahl aufs Dach bringen und Standorte in Betrieb nehmen.“ Grob koste ein Antennenstandort auf einem Dach 100.000 Euro, ein Mast 200.000 Euro. Und nicht immer gehe es nur darum, den Ausbau auf dem Land voranzutreiben, sagt er. „Auch in den Städten gibt es Punkte, die verdichtet werden müssen, weil die Ansprüche steigen.“ In Städten ließen sich zudem mehr Kunden binden – was am Ende aber dazu beitrage, den Ausbau auf dem Land zu finanzieren.

Thomas Velling hilft das im Augenblick nicht weiter. Er lebt nahe des Kölner Stadtrands, in Rösrath-Kleineichen. „700 Meter weiter, auf der Hauptstraße, gibt es Netz“, berichtet er. In seinem Haus hat er dagegen massive Probleme mit dem Empfang: „Mein Handy klingelt nur im Wohnzimmer.“ Velling ist auf sein Handy angewiesen: Er arbeitet im Home Office und muss häufig geschäftlich telefonieren. Bis vor ein paar Monaten stellte er sich dazu jedes Mal ans Wohnzimmerfenster. Als Notlösung hat er nun eine Rufumleitung vom Handy auf das Festnetz einrichten lassen. „Gut, dass es das Festnetz noch gibt“, sagt er.

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