Arbeitsmarkt Jobsuche mit Handicap

Bonn · Der Bonner Maximilian Boecker ist schwerbehindert. Seine Bewerbungen werden oft aussortiert. Nur dank persönlicher Kontakte hat er seinen jetzigen Job gefunden.

 An seinem Arbeitsplatz im Büro der Bonner Firma Germania: Maximilian Boecker.

An seinem Arbeitsplatz im Büro der Bonner Firma Germania: Maximilian Boecker.

Foto: Garic

Zu 100 Prozent behindert. Für den 29-jährigen Maximilian Boecker ist das nicht nur eine Zahl in seinem Schwerbehindertenausweis. Sie bestimmt seinen Alltag, das Privat- und Arbeitsleben. Aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung bei der Geburt hat er eine körperliche Behinderung und Spastiken. Das bereitet Probleme im Alltag und bei der Jobsuche.

Nach dem Studium der Sozialen Arbeit ist er arbeitslos. Vom Amt bekommt keine Jobangebote. Boecker bewirbt sich auf Inserate. Meist kommt direkt die Absage. Bei Borussia Dortmund wird er zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Doch den Job als Behindertenbeauftragter bekommt er nicht. Das Büro sei zu klein, wird ihm später mitgeteilt.

Ausflüchte wie diese hat Boecker oft gehört. Viele Unternehmen tun sich schwer, wenn es darum geht Schwerbehinderte einzustellen. Dabei ist es in Deutschland Pflicht. Fünf Prozent der Angestellten in einem Unternehmen müssen schwerbehindert, also laut Amt zu mindestens 50 Prozent behindert, sein. Doch über drei Viertel der Unternehmen in Deutschland schafft diese Fünf-Prozent-Quote nicht. Sie müssen monatlich einen Ausgleich für jeden unbesetzten Arbeitsplatz zahlen.

Dabei gibt es genügend Schwerbehinderte, die einen Job suchen. Die Arbeitslosenquote ist bei ihnen mit rund 14 Prozent etwa doppelt so hoch in der Gesamtbevölkerung. Boecker hat es vor einem Jahr dann doch geschafft und einen Job gefunden. Sein Vater ist mit Thomas Kemp, dem Geschäftsführer der Gebäudereinigungsfirma Germania in Bonn, befreundet. Er hat Boecker einen Job als Sozialarbeiter in seiner Firma vermittelt.

Einfach war das anfangs nicht, das muss Kemp zugeben. Viele Formalia mussten geklärt werden, Behörden und Versicherungen gingen ein und aus, um den Arbeitsplatz zu prüfen und Fördermittel wurden beantragt. Mittlerweile arbeitet er schon ein Jahr bei Germania. Da er schnell müde wird, wenn er am Computer tippt, macht das seine Assistentin. Die ist rund um die Uhr bei ihm und hilft in allen Belangen, selbst bei einfachen Dingen im Haushalt aber auch im Job. Bezahlt wird Boeckers Assistentin vom Landschaftsverband Rheinland (LVR). Mit den Kollegen versteht er sich gut, und damit er ins Büro kommt, war nur eine kleine Rollstuhlrampe nötig.

Menschen wie Boecker haben nach der UN-Behindertenrechtskonvention das gleiche Recht auf Arbeit wie Menschen ohne Behinderung. Im Kündigungsfall sind Schwerbehinderte in Deutschland aber stärker abgesichert. Nach Kemps Ansicht schreckt das einige Arbeitgeber ab. Als Chef von Germania kann er es verstehen, wenn Arbeitgeber sich davor fürchten, mit dem Angestellten unzufrieden zu sein und ihn dann aber nicht mehr kündigen zu können. Er habe Boecker aber schon vorher privat gekannt und sei deswegen zuversichtlich gewesen.

Wenn ein Schwerbehinderter seinen Job verliert, prüft vorher das Integrationsamt, ob die Kündigung gerechtfertigt ist.

Wer neben seiner schweren Behinderung auch noch über 55 ist und keine gute Bildung aufweisen kann, hat nahezu keine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der DGB sieht das als großes Problem. Es gibt genügend Plätze, die laut Gesetz von Arbeitgebern mit Schwerbehinderten besetzt werden müssen. Aber die Betriebe seien eher bereit die Abgabe zu bezahlen.

Nach Ansicht des DGB und Kemp müsse die Abgabe angehoben werden, um die Betriebe unter Druck zu setzen. Statt dem derzeitigen Höchstsatz von 320 Euro pro Monat soll auf 750 Euro erhöht werden. Germania-Chef Kemp gibt aber zu bedenken, dass eine branchenspezifische Regelung getroffen werden solle. Im Dienstleistungsgewerbe wie bei seinem Reinigungsunternehmen Germania sei es schwierig, teils unmöglich, Schwerbehinderte außerhalb des Büros einzusetzen.

Doch es hapert auch an anderer Stelle: „Viele Menschen trauen mir nichts zu und geben mir nicht die Chance, mich zu beweisen. Zu einem Vorstellungsgespräch wurde ich selten eingeladen.“

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