Immer mehr Bürgern geht das Geld aus

Zahl der Privatinsolvenzen klettert auf Höchststand - Deutliche Anstiege auch in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis - Handyrechnungen führen Kunden in die Pleite

  Der sorglose Umgang  mit Mobiltelefonen lässt schon Kinder und Jugendliche Schulden machen.

Der sorglose Umgang mit Mobiltelefonen lässt schon Kinder und Jugendliche Schulden machen.

Foto: dpa

Hamburg/Bonn. (ap/sd) Die Schuldenspirale in Deutschland dreht sich immer schneller: Noch nie gab es in einem ersten Halbjahr so viele Pleiten und Offenbarungseide von Verbrauchern wie in den ersten sechs Monaten 2004, wie die Wirtschaftsinformation Bürgel am Dienstag in Hamburg mit Blick auf den Beginn der Statistik 1996 berichtete. Vor allem in Ostdeutschland stieg die Zahl der gerichtlichen Zwangsmaßnahmen gegen säumige Privatschuldner deutlich.

Auch in der Region haben mehr Privatleute Insolvenz beantragt. 316 überschuldete Privatleute hat das Landesamt für Statistik im ersten Halbjahr im Rhein-Sieg-Kreis verzeichnet - 78 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. In Bonn meldeten 207 Bürger Zahlungsunfähigkeit an nach 118 in den ersten sechs Monaten 2003.

Die Gründe für die wachsenden Schulden liegen laut Bürgel bei Anbietern und Verbrauchern gleichermaßen. Der Handel locke Konsumenten mit Krediten und bequemen Ratenzahlungen. Dabei vernachlässige er oft die Prüfung des finanziellen Spielraums der Kunden, so Bürgel. Zugleich unterschätzten viele Schuldner die tatsächlichen Kosten der Anschaffungen auf Kredit. Zudem würden Forderungen aus Handyrechnungen oder Handwerksleistungen immer öfter per gerichtlicher Zwangsmaßnahme eingetrieben.

Nicht immer ist den Experten zufolge aber Geldmangel der Grund für ausstehende Zahlungen. "Schuldner verzögern oft ganz bewusst fällige Zahlungen. Im Gegenzug straffen Gläubiger ihr Forderungsmanagement und streben inzwischen schneller und häufiger harte gerichtliche Maßnahmen an", so Johan Zevenhuizen, Geschäftsführer der Bürgel Wirtschaftsinformationen.

Die Zahl der Eidesstattliche Versicherungen (Offenbarungseide) stieg im ersten Halbjahr den Angaben zufolge um 6,8 Prozent auf 554 523. Einen deutlichen Anstieg um 18,5 Prozent auf 104 178 Offenbarungseide gab es in Ostdeutschland, im Westen erhöhte sich die Zahl um 4,4 Prozent auf 450 345 Fälle.

Bürgel wies allerdings darauf hin, dass es in einigen Regionen auf Grund Personalmangels einen Stau bei der Bearbeitung der Verfahren gegeben habe. Zudem reagierten Gläubiger ungeduldiger, wenn Schuldner die vereinbarten Ratenzahlungen nicht einhielten. "Und auch die Gerichtsvollzieher greifen bei Schuldnern deutlich härter durch", hieß es.

Immer häufiger wurden auch Haftanordnungen zur Durchsetzung der Eidesstattlichen Versicherung erlassen. Auch hier verzeichneten die östlichen Bundesländer mit einem Plus von 18,9 Prozent auf 44 329 Fälle den stärksten Anstieg. In Westdeutschland erhöhte sich die Zahl um 5,6 Prozent auf 248 820 Fälle.

Deutlich zugenommen hat im ersten Halbjahr die Zahl der Privatpleiten: 41 158 Insolvenzen wurden beantragt, 28,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Den stärksten Anstieg gab es hier in Westdeutschland mit einem Plus von 33,9 Prozent auf 33 687 Fälle. Im Osten stieg die Zahl der Privatpleiten dagegen geringer um 8,4 Prozent auf 7 471 Fälle.

Für das Gesamtjahr 2004 erwartet Bürgel eine Zunahme der gerichtlichen Zwangsmaßnahmen - eidesstattliche Versicherungen, Haftanordnungen Insolvenzen - gegenüber dem Vorjahr um 7,4 Prozent auf insgesamt rund 1,8 Millionen Fälle. Das wäre der höchste Stand seit Beginn der Statistik 1996. Im ersten Halbjahr war die Zahl um 6,0 Prozent auf 888 830 Fälle gestiegen.

Die Zahl der Firmenpleiten in Nordrhein- Westfalen ist währenddessen im ersten Halbjahr 2004 angestiegen. 6 155 Betriebe hätten die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, rund 6,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, teilte das statistische Landesamt am Dienstag in Düsseldorf mit. In jedem dritten Fall wurde das Ansinnen mangels Masse aber abgewiesen. Zudem hätten 7 000 nicht selbstständige Schuldner einen Insolvenzantrag gestellt. Insgesamt ergeben sich daraus Forderung nach Angaben des Amtes in Höhe von fast vier Milliarden Euro.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: " Im Teufelskreis"

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