Abwanderung weiterer Unternehmen IHK fordert Vorfahrt für Wirtschaft in Bonn

BONN · Wenn sich die Stimmung in Bonn nicht bald dreht, fürchtet IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille, dass weitere Unternehmen der ehemaligen Bundeshauptstadt den Rücken kehren könnten: "Die Unternehmen müssen anders wertgeschätzt werden", appelliert er an die Politik.

Mit Haribo und der Zurich-Versicherungsgruppe haben jüngst zwei große Unternehmen die Entscheidung getroffen, ihren Firmensitz künftig zu verlagern. "Wir müssen mit der Politik dringend in ein Fahrwasser kommen, dass wir der Wirtschaft Vorfahrt geben", sagt Hille. Überflüssige Bürokratie verlangsame Entscheidungsprozesse, es fehle an Gewerbeflächen, dazu komme die erhöhte Grundsteuer. Das sei ein "verheerender Mix". "Und Abwanderungen bedeuten immer einen Verlust an Arbeitsplätzen, Gewerbesteuern und Image."

Anlass der Diskussion um den Umgang mit Unternehmen ist die Vorstellung der neuen Konjunkturumfrage der IHK zum Jahresbeginn 2015. Die zeigt zwar, dass sich die Lage nach einem Einbruch im Herbst stabilisiert, doch einige Faktoren machen den Experten auch weiterhin Sorgen.

"Das Klima in der Verwaltung insgesamt ist wichtig", erklärt Hille. Die Stadt müsse sich mehr um die Firmen vor Ort kümmern. In diesem Zusammenhang greift er erneut einen Vorschlag aus der Wirtschaft auf, für die Wirtschaftsförderung innerhalb der Stadtverwaltung doch ein eigenes Dezernat zu schaffen. Derzeit ist das Ressort dem Oberbürgermeister zugeordnet. Als weitere Faktoren, die sich künftig negativ auf den Standort Bonn auswirken könnten, nennt er das Fehlen von Fachkräften und den neuen Mindestlohn: "Wir brauchen noch Zeit, um genauer zu evaluieren, aber wir befürchten, dass es negative Auswirkungen auf das Einstellungsverhalten der Firmen geben könnte", erklärt Hille. Gerade Praktikumsplätze könnten dieser Entwicklung zum Opfer fallen. Dabei entwickelt sich die Arbeitslosenquote sehr positiv: Zum Jahreswechsel lag sie in der Region Bonn/Rhein-Sieg auf dem tiefsten Stand seit zwei Jahren. 28 764 waren zuletzt arbeitslos gemeldet, etwa 300 weniger als im Dezember. In der Stadt Bonn kam es zu einer leichten Zunahme.

Die IHK-Konjunkturumfrage zeigt deutlich: Obwohl die Verbraucher dank niedriger Ölpreise und niedrigen Zinssätze mehr Geld ausgeben, profitieren nicht alle Branchen in der Region gleichermaßen von dieser Entwicklung. Sind Einzelhandel und Gastgewerbe doch beides Branchen, in denen die Verbraucher am schnellsten mehr Geld ausgeben, entwickeln sie sich in Bonn sehr unterschiedlich. Während das Gastgewerbe euphorisch ist - natürlich auch wegen der Eröffnungen des WCCB Centers - geht der Einzelhandel als "Sorgenkind" aus der Umfrage hervor. "Vermutlich geht das Geld statt in den Bonner Einzelhandel in den Online-Handel", erklärt Hille einen möglichen Grund für den Unterschied.

Die Dienstleistungsbranche bleibt weiter auf einem sehr hohen Niveau. Die Stimmung in der Industrie trübt sich laut Index zwar weiter ein. Allerdings gebe es bei den exportorientierten Unternehmen, so Hille, in der Region einen Stimmungsaufheller, der in der Umfrage nicht zu sehen sei: die Entscheidung der EZB im Januar, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. "Die Umfrage kann diese Tatsache nicht berücksichtigen, weil sie bereits im Dezember durchgeführt wurde", erklärt Hille.

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