Mindestlohn in Bonn und der Region Herkulesaufgabe für 200 Zöllner

BONN · Unternehmern aus der Region Bonn und Köln, die ihren Mitarbeitern noch nicht den Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen, droht frühestens Ende Februar Ungemach.

 Müssen mit Kontrollen rechnen (v.l.): Spargelstecher, Kellnerin, Gebäudereinigerin und Taxifahrer.

Müssen mit Kontrollen rechnen (v.l.): Spargelstecher, Kellnerin, Gebäudereinigerin und Taxifahrer.

Foto: dpa

"Wir müssen die ersten Lohnabrechnungen abwarten", sagt Gerd Plinz, Sprecher des Hauptzollamtes Köln. Die Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollämter ist seit Jahresbeginn für die Kontrolle des Mindestlohnes zuständig.

Generell müsse jeder Unternehmer mit einer Kontrolle rechnen. "Die Arbeitnehmer sind auskunftspflichtig, wie viel Stunden sie arbeiten und welchen Lohn die bekommen", erläutert Plinz. Diese Angaben würden mit den Daten der Sozialversicherung abgeglichen. Die Behörden dürfen dafür auch Arbeitsverträge oder Geschäftsunterlagen einsehen.

Erfahrung hat der Zoll bereits mit der Kontrolle von Mindestlöhnen. In einigen Branchen gibt es schon länger Regelungen, über deren Einhaltung der Zoll bereits wacht. In der Baubranche, der Gebäudereinigung, beim Sicherheitsdienst und in der Pflege galten bereits tarifliche Lohnuntergrenzen. Bisher haben rund vier Millionen Beschäftigte in 13 Branchen von Mindestlöhnen profitiert.

In einigen Branchen wie den Friseuren, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Schlacht- und Fleischverarbeitung gibt es Übergangsfristen. So muss in der Land- und Forstwirtschaft und dem Gartenbau erst ab 2017 ein Lohn von 8,60 Euro gezahlt werden. Auch die Einhaltung dieser Fristen und tariflichen Lohnuntergrenzen würden kontrolliert. "Wir haben hier jetzt eine bessere Handhabe als früher", so Plinz.

Das Hauptzollamt Köln ist neben Bonn und Köln auch für den Rhein-Sieg-Kreis, Leverkusen, den Rheinisch-Bergischen-Kreis, den Oberbergischen Kreis und den Rhein-Erft-Kreis zuständig. Derzeit arbeiten dort gut 200 Mitarbeiter in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Zwar hat der Bund deutschlandweit 1600 zusätzliche Stellen beim Zoll versprochen. Wie viele davon auf die Kölner Behörde entfallen, stehe noch nicht fest. Eine Aufstockung zum 1. Januar habe es nicht gegeben. Außerdem werde es um Neueinstellungen gehen, nicht um die Übernahme von Mitarbeitern aus anderen Behörden wie etwa aus Arbeitsagenturen. "Die neuen Mitarbeiter müssen erst ausgebildet werden", so der Sprecher des Kölner Hauptzollamtes.

Die Kontrolle des flächendeckenden Mindestlohnes gilt als Mammutaufgabe. "Wir müssen damit rechnen, dass der Zoll nicht von Anfang an fähig sein wird, die erforderlichen Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohngesetzes in gebotener Breite durchzuführen", sagt Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Bis die Stellen besetzt seien, brauche es schlichtweg Zeit. Denn die Ausbildung müsse umfassend sein. "Kontrolleur bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist schließlich kein Anlernberuf", meint Buckenhofer.

Forderungen nach bundesweit 2000 bis 6000 neuen Kontrolleuren, die in einem Schnellverfahren für den Einsatz in der FKS ausgebildet werden sollten, seien "unrealistisch und unangemessen". Die Regelungen zum Mindestlohngesetz umfassten schließlich mehr als 30 Gesetze, Rechtsvorordnungen und Tarifverträge. Dazu kämen Dienstvorschriften, Kommentierungen und Rechtsprechung sowie umfängliche Branchenkenntnisse, inklusive Kenntnisse der Branchentarifverträge, Grundlagen der Betriebswirtschaft und Buchführung. Bei Mindestlohnvergehen kommen außerdem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht hinzu.

"Die Schwierigkeiten zum Start des Mindestlohns dürfen nicht zu halbherzigen Kontrollen führen, nur um eine möglichst hohe Kontrolltätigkeit nachweisen zu können", so Buckenhofer. Mindestlohnprüfungen müssten hohen Qualitätsstandards genügen, um ihre abschreckende Wirkung zu entfalten. Arbeitgebern, die gegen das Mindestlohngesetz verstoßen, drohen Sanktionen und Geldbußen bis zu 500 000 Euro.

Bislang hat der Zoll viermal im Jahr Schwerpunktkontrollen in einer Branche gemacht. "Auf einer großen Baustelle sind wir schon mal mit 100 Beamten unterwegs", sagt Plinz. Mitarbeiter, die bereits kontrolliert seien, bekommen ein Plastikarmband - "wie im All-Inclusive-Urlaub". Zuletzt waren die Zöllner im Dezember bundesweit in 930 Betrieben der Fleischwirtschaft unterwegs. Insgesamt überprüften 1800 Bedienstete der FKS Zolls fast 15 700 Beschäftigte. In 625 Fällen wurden Geschäftsunterlagen unter die Lupe genommen.

Die Zöllner kontrollierten auch den Mindestlohn in der Fleischwirtschaft von 7,75 Euro. Dabei stießen die Beamten auf knapp 300 Fälle, die nun genauer überprüft werden. Sechs Strafverfahren und 75 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten wurden eingeleitet. Zudem gehen die Zöllner 27 Verdachtsfällen von unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung und 91 Hinweisen zum unrechtmäßigem Bezug von Arbeitslosengeld nach.

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