Zu großes Angebot bei Rohöl Heizöl wird noch günstiger

Berlin · Die niedrigen Preise entlasten die privaten Haushalte in Deutschland insgesamt um einen Milliardenbetrag.

Benzin und andere Ölprodukte bleiben nach gescheiterter Preisverhandlungen billig. Auf lange Sicht leiden auch die Abnehmerländer. Man stelle sich einen privaten Haushalt vor, der statt wie gewohnt mit 3 000 Euro im Monat plötzlich von nur noch 1 200 Euro leben muss. Der daraus entstehende Konfliktstoff in der Familie lässt sich leicht erahnen. Es muss überall gespart werden. Vielleicht reicht es nicht mehr zur Zahlung der Raten für das Eigenheim. So etwa geht es derzeit den ölexportierenden Ländern. Saudi-Arabien, Russland, Venezuela, der Iran und andere Förderregionen konnten lange Zeit mit Einnahmen von rund 100 Dollar für jede Barrel Rohöl (159 Liter) rechnen. Derzeit bezahlen die Käufer gerade einmal 40 Dollar dafür. Zwischenzeitlich sackte der Ölpreis sogar auf 37,61 Dollar ab.

Und das wird sich so schnell nicht ändern, weil sich die Ölstaaten nicht über Produktionskürzungen verständigen konnten. In Doha wollten sie sich auf ein knapperes Angebot einigen. Doch der Iran kam erst gar nicht zu den Verhandlungen. Ohne den zweiten großen Ölstaat in der Region wollte auch Saudi-Arabien kein Abkommen schließen. „Der Ölpreis wird so lange niedrig bleiben wie der Angebots-Überschuss andauert, und die Nachfrage nicht deutlich ansteigt“, sagt die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert. Wie lange das dauern wird, weiß auch die Forscherin nicht.

Für Unternehmen und Verbraucher in den Abnehmerländern, also auch in Deutschland, ist der Wettbewerb zwischen die Produzenten ein Vorteil. Viele ölbasierte Produkte bleiben günstig. Der Dieselpreis dürfte schnell wieder unter die Marke von einem Euro rauschen und das Superbenzin sich diesem Wert nähern. Es lohnt sich auch, die Tanks der Heizölanlagen aufzufüllen, solange der Brennstoff so günstig ist. Das alles entlastet die privaten Haushalte in Deutschland um einen Milliardenbetrag. Die hier eingesparten Ausgaben können anderswo getätigt werden. Unter dem Strich können die Verbraucher sich bei gleichem Einkommen mehr leisten.

„Erst einmal dominieren die positiven volkswirtschaftlichen Wirkungen, können aber überschattet werden von wirtschaftlichen Einbußen ganzer Länder durch Öleinnahmeausfälle“, warnt Kemfert aber vor allzu großer Freude über die Entwicklung. Denn die Ölstaaten investieren einen großen Teil ihrer Einnahmen aus dem Fördergeschäft in Produkte aus den Industrieländern. Russland oder Saudi-Arabien gehören zum Beispiel zu den guten Kunden der deutschen Exportindustrie. Fallen deren Bestellungen aus, trifft die Ölkrise über einen Umweg auch die hiesige Wirtschaft und die in den betreffenden Branchen beschäftigten.

Einen unerwünschten Nebeneffekt für die Umwelt hat der niedrige Ölpreis auch noch. Um das Klima zu schützen, müssen die Industrieländer ihr Konsumverhalten verändern. Dazu gehören der Umstieg auf sparsame Autos oder energetische Hausmodernisierungen. Bei einem hohen Spritpreis rentieren sich die privaten Investitionen in kleinere Fahrzeuge, Dämmmaterial oder moderne Heizungen. Dieser Anreiz entfällt, wenn der Rohstoff so günstig ist wie derzeit. Und die Internationale Energieagentur schätzt, dass diese Entwicklung noch einige Zeit andauern könnte. Latent gefährlich ist die Lage der Förderregionen. Experten sehen die Stabilität im Nahen Osten bedroht. Das kritische Verhältnis zwischen den beiden eine Vormachtstellung in der Region beanspruchenden Staaten Saudi-Arabien und Iran könnte sich weiter zuspitzen und die Stellvertreterkriege der beiden Länder ausweiten.

Für den Bürgerkrieg in Syrien sind das zum Beispiel keine guten Aussichten. Hier wie im Jemen mischen wohl beide Länder im Hintergrund mit. Gerade vom Iran können die Ölländer keine große Kompromissbereitschaft erwarten. Nach dem langem Embargo ist dort der Nachholbedarf bei Investitionen aller Art so hoch, dass jede auch noch so geringe Deviseneinnahmen willkommen ist. Andere Ölstaaten bekommen eher massive innenpolitische Probleme, weil sie zum Beispiel Sozialleistungen nicht mehr wie gewohnt finanzieren können. Venezuela leidet heute schon unter gravierenden Versorgungsengpässen und einer Hyperinflation. Auch der russische Haushalt muss abgespeckt werden, wenn die Reserven aus guten Jahren einmal aufgebraucht sind.

Irgendwann wird sich das Blatt wohl wieder wenden. „Da die USA sehr teure Fördertechniken nutzen, die sich bei niedrigen Ölpreisen nicht mehr lohnen, ist mit einer Drosselung des Angebots zu rechnen“, glaubt Kemfert. Auch wird die derzeit eher schwache Weltkonjunktur wieder an Fahrt gewinnen und so eine steigende Nachfrage erzeugen. Beides zusammen kann dann wieder für eine Erholung des Ölpreises sorgen.

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