Tiefkühlkost, Bier oder Strom Heimatgefühle beflügeln den Umsatz

Bonn · Die Vermarktung von Produkten mit dem Begriff "Heimat" nimmt zu. Verbraucher würden das Produkt so für vertrauenswürdiger und sicherer halten, sagt ein Experte.

 Diese Biokiste wird verkauft, wo das Gemüse wächst. Aber auf Schlagworte wie „von hier“ sollten sich Kunden nicht generell verlassen. FOTO: DPA

Diese Biokiste wird verkauft, wo das Gemüse wächst. Aber auf Schlagworte wie „von hier“ sollten sich Kunden nicht generell verlassen. FOTO: DPA

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Heimat ist ein Begriff fürs Herz. Ist dieses erst einmal erweicht, öffnet sich das Portemonnaie schon fast wie von selbst. Marketingstrategen wissen das. Und sie lieben die Heimat dafür. Oder zumindest das Wort. 105 bekannte Werbeslogans mit dem Begriff Heimat kennt eine Online-Datenbank – von der Tiefkühlkost („Ein echtes Stück Heimat“) bis zum Stromversorger („die heimatstarke Energie“).

„Das Wort suggeriert beim Konsumenten Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit“, sagt Tobias Maria Günter, Partner in der international tätigen Unternehmensberatung Simon-Kucher mit Hauptsitz in Bonn, „auch wenn das nicht unbedingt rational begründet ist“. Die Vermarktung von Produkten über das Argument Heimat habe in den letzten drei bis fünf Jahren zugenommen, so der Experte, der Trend habe seinen Höhepunkt jedoch noch nicht erreicht.

Im Gegenteil: „In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung wächst das Bedürfnis von Kunden nach Produkten, die sich von der Masse abheben.“ Als Beispiel für den neuen Heimat-Trend nennt Günter die wachsende Beliebtheit lokaler Biersorten aus Mini-Brauereien („Craft-Beer“). „Da werden zum Teil die Etiketten extra auf alt getrimmt, um ein nostalgisches Heimatgefühl zu erzeugen“, hat er festgestellt.

Denn gerade im Supermarkt zeigen sich die Kunden heimatverbunden. Studien haben gezeigt, dass sie für regionale Produkte höhere Preise akzeptieren. Die Handelsketten haben die Nische längst für sich entdeckt: Edeka Rhein-Ruhr etwa führt unter der Marke „Mein Land“ Produkte aus Nordrhein-Westfalen. Ihr Anteil sei auf mittlerweile zehn Prozent gestiegen, teilt die Handelskette mit. Das Interesse der Kunden wachse ständig.

Auch beim Konkurrenten Rewe hat man das Verkaufsargument „von nebenan“ längst entdeckt. Doch wie weit sich die Heimattreue räumlich erstreckt, bleibt nebulös: „Rewe Regional Produkte stammen dabei immer aus einem Gebiet, das für jeden nachvollziehbar ist“, heißt es auf der Konzernwebseite. Was unter dem Logo „aus Deiner Region“ beworben werde, werde dagegen aus höchstens 30 Kilometer Entfernung in den Supermarkt transportiert.

Auf den ersten Blick erkennt der Kunde nicht immer, wo die Ware herkommt. „Die Begriffe Heimat und regional sind nicht geschützt“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. So fanden die Verbraucherschützer bei einer Stichprobe in diesem Jahr unter dem Label „Gutes aus der Region“ in einem Saarbrückener Supermarkt Tomaten, die aus dem 450 Kilometer entfernten thüringischen Alperstedt stammten.

Bei nicht oder wenig verarbeiteten Produkten wie etwa einem Apfel sei es für die Kunden einfacher, die Herkunft nachzuvollziehen, sagt Verbraucherschützer Valet. Bestehe ein Lebensmittel, wie zum Beispiel Wurst,dagegen aus vielen verschiedenen Zutaten, sei die Definition der Regionalität dagegen schwieriger.

„Manchmal bedeutet Regionalität auch nur, dass Zutaten aus aller Welt in der Nähe des Kunden verarbeitet wurden“, sagt Valet. Die Verbraucherschützer wünschen sich daher klare gesetzliche Bestimmungen für die Heimatversprechen der Marketingabteilungen: „Der Kunde muss auf einen Blick erkennen können, wo etwas herkommt und wo es verarbeitet wurde“, sagt er.

Der Einzelhandel definiert Heimat oft anders als die Hersteller. An der bundesweiten Aktion „Heimat shoppen“ beteiligen sich auch Geschäftsleute in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. Wo die Ware herkommt, ist an dieser Stelle zweitrangig. Hauptsache, der Heimatfreund kauft in den Läden seiner Stadt ein.

Heimat ist kein Goldesel, der wirtschaftlichen Erfolg garantiert. Der Internetvertrieb Heimatprodukte.de (Käsekiste Tegernsee, Handyhülle Modell Lederhose) hat seinen Betrieb „mit einem herzlichen Vergelt's Gott an alle Kunden und Lieferanten“ eingestellt. Offenbar sinkt die Verbundenheit zu den regionalen Betrieben, wenn am heimischen Computer ein fast weltweiter Preisvergleich möglich wird – also jenseits des täglichen Bedarfs aus dem Supermarkt.

Heimatverbundenheit kann Menschen sogar finanzielle Nachteile bringen: „Home bias“ nennen Wirtschaftswissenschaftler das Phänomen, dass Menschen am liebsten Aktien von Unternehmen aus ihrem eigenen Land kaufen. Die – frei übersetzt – Voreingenommenheit für die Heimat führt dazu, dass ihnen Gewinne entgehen, die ein internationaleres Aktienportfolio gebracht hätte.

Den Konsumenten kümmert das genauso wenig wie die Tatsache, dass der Heimatbegriff derzeit politisch durchaus umstritten und ideologisch aufgeladen ist: „Die Realwirtschaft ist in dieser Beziehung von der politischen Welt komplett getrennt“, sagt Unternehmensberater Günter.

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