Lehrstellen-Check GA-Serie: Ein Tag als Forstwirtin

Königswinter · GA-Volontärin Nathalie Dreschke hat für die Serie „Lehrstellen-Check“ den Beruf des Forstwirts getestet - eine Tätigkeit, die angesichts des Klimawandels immer wichtiger wird. Warum das so ist, lässt sich auch in der Region beobachten.

 Sägearbeiten: GA-Volontärin Nathalie Dreschke (links) und Forstwirtschaftsmeister Jörg Olbert (rechts) entfernen Äste von einem gefällten Baum.

Sägearbeiten: GA-Volontärin Nathalie Dreschke (links) und Forstwirtschaftsmeister Jörg Olbert (rechts) entfernen Äste von einem gefällten Baum.

Foto: Alexander Hertel

. Es ist still im Wald in Königswinter. Die kühle Luft strömt durch die Blätter der unzähligen Bäume. Das Dickicht der Laub- und Fichtenbäume wird jedoch jäh unterbrochen. Vertrocknete Fichten und abgeholzte Flächen prägen plötzlich das Bild des Waldes. Stürme, der Klimawandel und Schädlinge wie der Borkenkäfer machen den Bäumen zu schaffen.

„Seit zwei Jahren herrscht Ausnahmezustand“, sagt Jörg Olbert. Er ist Forstwirtschaftsmeister im Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft und für die Ausbildung neuer Forstwirte zuständig. Mit seiner Motorsäge unter dem Arm läuft Olbert tiefer in den Wald. Es stehen weitere Baumfällungen auf dem Tagesplan.

Der 23-jährige Sebastian Hörsch begleitet ihn. Er hat Anfang August mit seiner Ausbildung zum Forstwirt begonnen. „Es gefällt mir, dass ich mit meiner Arbeit den Grundstein für die nächste Generation legen kann“, sagt Hörsch. Denn zu den weiteren Aufgaben eines Forstwirts gehören die Pflege der Waldbestände und der Wiesen, die Instandhaltung der Waldwege, das Pflanzen neuer Bäume und die Pflege von Erholungseinrichtungen.

„Unser Beruf wird immer wichtiger“, so Olbert. „Wir sind dabei, klimastabile Mischwälder aufzubauen. Die Fichte hat hier keine Chance mehr.“ Hörsch und Olbert steuern auf eine rund 20 Meter hohe Fichte zu. Ihre Baumkrone ist bereits zum größten Teil vertrocknet. Olbert zeigt auf kleine Bohrlöcher in der Rinde. „Das ist ein Zeichen dafür, dass sich der Borkenkäfer hier bereits eingenistet hat. Der Baum ist nicht mehr zu retten“, sagt der Forstwirtschaftsmeister. Hörsch und Olbert stellen ihre Werkzeuge am Baum ab.

An einigen Bäumen ringsherum sind weiße Markierungen zu erkennen. Sie bilden eine Gasse, über die das Holz mithilfe eines Krans abtransportiert werden kann. „Der Baum muss in diese Gasse fallen“, erklärt Olbert. Der Winkel ist dabei entscheidend. Zunächst stellt sich der Fortwirt 90 Grad zur gewünschten Fällrichtung vor den Baum und schaut an ihm hoch, ob dieser gerade gewachsen ist. Hängt der Baum entgegen der Fällrichtung, bezeichnet der Forstwirt ihn als Rückhänger. Hängt er in Fällrichtung, ist er ein Vorhänger. Diese Einordnung hat eine Auswirkung auf das Arbeiten am Baum.

„Steht der Baum schief, besteht die Gefahr, dass das Sägeblatt der Motorsäge eingeklemmt wird“, sagt Olbert. Um das zu vermeiden, wird ein Stück Holz am Baum, ein sogenanntes Stütz- oder Halteband, zunächst stehen gelassen. Das Band wird erst entfernt, wenn der Forstwirt einen Keil zur Stabilisierung in den Fällschnitt des Baumes gehämmert hat.

„Wir verfolgen seit Jahren eine Technik, die als Sicherheitsfälltechnik bezeichnet wird“, erklärt der Fortwirtschaftsmeister. Diese Technik erlaubt es dem Fäller, genau zu bestimmen, wann der Baum fallen und wann das Stütz- oder Halteband entfernt werden kann. Bevor der Forstwirt jedoch die Säge ansetzt, ruft er laut und mit klarer Stimme „Achtung, Baumfällung“. Damit stellt er sicher, dass Personen in der Umgebung gewarnt sind - etwa Wanderer.

Ungefähr 30 Minuten nach der ersten Begutachtung des Baumes durch die beiden Experten liegt die 20 Meter hohe Fichte auf dem Boden. Zum Schluss müssen noch die Äste vom Stamm entfernt werden. „Ein routinierter Forstwirt fällt drei Bäume in der Stunde“, so Olbert.

Der Arbeitstag in der Försterei in Königswinter beginnt morgens um 7 Uhr. Die Aufgaben für den kommenden Tag werden jeweils am Vorabend besprochen, sodass jeder weiß, was zu tun ist. „Das hat auch praktische Gründe“, sagt Olbert. „So wissen wir, ob es sich lohnt, die Maschinen zu reinigen.“ Jeder Auszubildende bekommt zu Beginn eine eigene Motorsäge. Nach der abgeschlossenen Ausbildung können die Absolventen die Säge erwerben. „Das spornt sie an, besonders sorgfältig mit der Säge umzugehen.“

Grundsätzlich müssen die Azubis ein gewisses Maß an Eigenverantwortung mitbringen. „Sie müssen zudem teamfähig und wetterfest sein, handwerklich begabt und Sozialkompetenz haben“, so der Forstwirtschaftsmeister. Bei den gefährlichen Arbeiten müsse man sich auf seine Kollegen verlassen können. Diese Voraussetzungen werden in einem praktischen und einem theoretischen Test geprüft. Erst wenn die Bewerber diese bestehen, kommt es in einem Bewerbungsgespräch. „Dann können wir schauen, ob die Chemie stimmt“, so Olbert.

Der 23-jährige Hörsch hat vor der Ausbildung ein Praktikum in Königswinter absolviert. Das sei der Idealfall, meint Olbert. So kann auch der Praktikant sehen, ob der Beruf etwas für ihn ist. Die Abbruchquote der Ausbildung liege unter anderem daher nur bei rund zehn Prozent.

Ähnlich wie bei vielen Handwerksberufen trifft der Fachkräftemangel auch die Forstwirtschaft. „Die Forstwirtschaft ist im Vergleich zu anderen ‚grünen Berufen‘ wie Gärtner oder Tierwirt jedoch besser aufgestellt“, sagt Olbert. Auf eine offene Stellen kommen rund zwei bis drei Bewerber. Das Arbeitspensum werde jedoch intensiver. „Wir können nicht so viel ausbilden, wie benötigt wird“, so Olbert. Die anstehenden Baumfällungen seien alleine nicht mehr zu stemmen, daher bekommen sie Unterstützung von Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Gebiete der Forstwirte weitläufig sind. „Ein Drittel des Tages verbringt man im Auto“, sagt Jens Merzbach, Leiter des Forstreviers Siebengebirge. Merzbach ist für ein 1650 Hektar großes Gebiet zuständig: Es liegt zwischen dem Schmelztal und der Landesgrenze, umfasst das zentrale Siebengebirge rund um das Kloster Heisterbach und den Bereich Eudenbach.

Nachdem die gefällte Fichte transportbereit in der Gasse liegt, räumen Hörsch und Olbert das Werkzeug ein und gehen zum Auto. Hinter den Bäumen schreckt ein Reh auf. Der 23-Jährige schaut dem Tier hinterher und atmet tief ein. „Kaum umfängt mich angenehme Stille, raunt er mir zu: „Nun atme mal tief ein!“, zitiert Hörsch das Gedicht „Doktor Wald“ von Helmut Dagenbach. Er ist überzeugt: „Die Waldluft ist das Schönste an meinem Beruf.“

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