Gründerinnen in Bonn Frauen gründen anders

BONN · Gründerinnen sind auf dem Vormarsch. Während die Zahl der Existenzgründungen seit Jahren zurückgeht, entscheiden sich immer mehr Frauen für den Weg in die Selbstständigkeit.

 Katja Flinzner.

Katja Flinzner.

Foto: Flinzner

So waren im Jahr 2013 43 Prozent aller Existenzgründer weiblich - mehr als jemals zuvor. Diesen Trend bestätigt auch Gertrud Hennen, die bei der Wirtschaftsförderung Bonn seit mehr als zehn Jahren Gründerinnen berät. "Im vergangenen Jahr haben wir erstmals mehr Frauen als Männer beraten", erklärt Hennen. Dabei sind Frauen nach ihrer Erfahrung generell offener gegenüber Beratungsangeboten und nutzen die vielfältigen Fördermöglichkeiten in der Region wesentlich intensiver als ihre männlichen Kollegen.

Doch das ist nicht der einzige Unterschied: Während männliche Gründer mit dem eigenen Unternehmen vor allem mehr Geld verdienen wollen, ist für Frauen häufig die familiäre Situation ausschlaggebende Motivation. Oft nach dem ersten, spätestens aber nach dem zweiten Kind wächst gerade bei hochqualifizierten Frauen die Erkenntnis, dass sich das Angestelltendasein mit der Familienstruktur nur schwer vereinbaren lässt.

"Nachdem ich mich zunehmend über lange Staus auf der Autobahn, die Unvereinbarkeit meiner Teilzeitstelle mit langen Meetings und das oftmals nur geringe Verständnis für meine Familiensituation geärgert hatte, reifte die Entscheidung, mein eigenes Unternehmen zu gründen und damit mein Berufsleben selbst in die Hand zu nehmen", berichtet Andrea Rathmann-Schmitz, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Agentur internationale medizinische Studien betreute. Nach einem Jahr Freiberuflichkeit gründete sie 2009 in Bonn die Medahcon GmbH und unterstützt heute Kunden bei der Publikation medizinischer Inhalte von der Broschüre bis zu Fachdossiers.

Die Bonnerin Antje Schultheis war bereits lange nebenberuflich als Leiterin des Jobforums Spinnen-Netz und als Trainerin selbstständig. Auch bei ihr stand nach dem zweiten Kind die Entscheidung zwischen Anstellung und Freiberuflichkeit an. Ein angebotener Platz in einem Gemeinschaftsbüro war für sie ein Wink des Schicksals: Sie gründete ihre Firma As.empowerment und berät unter anderem bei Bewerbungen und Karriereplanung.

Neben der familiären Konstellation führt bei vielen Frauen auch der Wunsch nach selbstbestimmtem Arbeiten zur Gründung des eigenen Unternehmens. Der Bonner Romanistin und Wirtschaftswissenschaftlerin Katja Flinzner ließ ihr Job als IT-Projektmanagerin wenig Freiraum für die Familie und auch die Sprachen kamen ihr darin zu kurz. "Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit habe ich sowohl familiär als auch fachlich unglaublich viel Freiheit gewonnen", sagt Flinzner.

Als Expertin für Internationalisierung kann sie ihr Handels- und IT-Know-How nun mit den Sprachen kombinieren. Und für Andrea H. Heppe, die mit ihrer Firma Stilquelle Interior & Home Staging, also die verkaufsfördernde Präsentation von Immobilien, entwickelt hat, war ohnehin schon immer klar: "Ich wollte meine eigene Chefin sein und habe großen Spaß daran, eigene Ideen und Ziele zu verwirklichen."

Eine weitere Gemeinsamkeit bei vielen Gründerinnen ist auch der eher vorsichtige Start in die Selbstständigkeit. So investieren Frauen in der Regel weniger Geld in ihre Gründung und nehmen seltener Kredite auf. Das liegt nicht nur daran, dass Frauen in Beratungs- und Dienstleistungsbranchen einsteigen, die generell wenig Kapital benötigen.

"Wenn Männer gründen, mieten sie oft als Erstes ein großes Büro und schaffen einen Dienstwagen an. Frauen begnügen sich eher mit dem häuslichen Schreibtisch", beobachtet Gertrud Hennen. Über den Erfolg sagt das jedoch wenig aus: Trotz der unterschiedlichen Strategien sind nach einer Studie der KfW-Bank die weiblichen Gründerinnen langfristig mindestens so erfolgreich wie die Männer.

Mit beiden Beinen in die Selbstständigkeit

Seit über zehn Jahren steigt laut KfW-Gründungsmonitor die Beteiligung von Frauen an Voll- und Nebenerwerbsgründungen. 2014 haben Frauen wie im Vorjahr 43 Prozent der Gründungen umgesetzt - ein Spitzenwert. Doch im Gegensatz zum Jahr 2013, in dem die hohe Beteiligung von Frauen hauptsächlich durch Nebenerwerbsgründungen zu Stande kam, sind nun Vollerwerbsgründungen maßgeblich. Hier stieg der Anteil von Frauen deutlich von 33 auf 41 Prozent.

Bei Nebenerwerbsgründungen ging die Beteiligung von Frauen dagegen von 49 auf 44 Prozent zurück. Gleichzeitig stieg der Anteil von Gründern in freiberuflichen Tätigkeitsfeldern: Dies ist im Wesentlichen auf die weiblichen Gründerinnen zurückzuführen, die hier schon immer stärker vertreten sind.

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