Experten diskutieren in Bonn über Werte in der Wirtschaft

"Kein Sondertarif durch Marktzwänge"

  Debattieren über Ethik in der Wirtschaft:  Norbert Blüm, Joachim Westhoff (Moderation), Joachim Kohlhof und Ludwig Ring-Eifel (von links).

Debattieren über Ethik in der Wirtschaft: Norbert Blüm, Joachim Westhoff (Moderation), Joachim Kohlhof und Ludwig Ring-Eifel (von links).

Foto: Volker Lannert

Bonn. Korruption bei Siemens, Stellenabbau ohne Not bei Nokia, abgehörte Gespräche bei der Telekom: Die Liste der Affären in der Wirtschaft ist lang. Was ist legal, und was ist ethisch legitim?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich am Donnerstagabend der Unternehmer-Verein FÜR Bonn/Rhein-Sieg. Bei einer Podiumsdiskussion im Bonner Möbelhaus bene debattierten der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, Wirtschaftsprofessor Joachim Kohlhof und der Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur, Ludwig Ring-Eifel, über Ursachen und Folgen des vermeintlichen Werteverfalls in der Wirtschaft. Es moderierte der ehemalige Chefredakteur des General-Anzeigers, Joachim Westhoff.

Besonders düster sah Ex-Minister Blüm die Zukunft: "Dieses Wirtschaftssystem wird die nächsten 20 Jahre nicht überleben", prophezeite er. In der globalisierten Wirtschaft verschwinde der Mensch, so Blüm. Und: "Ethik gibt es nicht ohne Menschen." Der CDU-Politiker im Ruhestand forderte daher verbindliche moralische Spielregeln für die Weltwirtschaft. "Ohne Mindeststandards geht es nicht."

Kohlhof, Gründer eines Ethik-Kollegs für Wirtschaftsstudenten, plädierte eher an das Gewinnstreben als an die Moral des Unternehmers. "Ethik ist das Schmierfett in den Gelenken der Produktionsfaktoren", so sein Argument. Ein fairer Umgang mit den Mitarbeitern erhöhe deren Motivation und damit auch deren Leistung.

Davon profitiere wiederum ganz direkt der Unternehmer. Durch Demotivation der Mitarbeiter entstünden der deutschen Wirtschaft Verluste von rund 20 Milliarden Euro im Jahr. Kohlhof, ehemaliger Bankdirektor, sprach sich mit Blick auf die Diskussion um hohe Managergehälter für ein "anstandsgerechtes Lohngefüge" aus.

Nachrichten-Agentur-Chef Ring-Eifel fand dagegen an hohen Managergehälter aus katholischer Sicht nichts auszusetzen. Diese seien "vielleicht unvernünftig, aber nicht unmoralisch", so der Journalist und Kirchenkenner. Des Weiteren gelten seiner Meinung nach in der Wirtschaft die selben ethischen Grundsätze wie in anderen Lebensbereichen. "Es gibt keinen Sondertarif durch Marktzwänge."

Der Veranstalter der Podiumsdiskussion, FÜR Bonn/Rhein-Sieg e.V., will den Kontakt zwischen Unternehmern aus der Region und öffentlichen Entscheidungsträgern verbessern. Der Verein ernannte am Abend den Bonner Polizeipräsidenten, Wolfgang Albers, zum Ehrenmitglied.

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