Interview zum regionalen Bahnverkehr "Es gibt einen Gewinner und sonst nur Verlierer"

Die Deutsche Bahn verliert immer mehr Schienenkilometer an Konkurrenten wie Abellio, Keolis oder Go Ahead. Eugen Puderbach, Geschäftsführer des Regionalverkehrs Köln, und DB-Regio-Chef Heinrich Brüggemann im GA-Interview.

Was bedeutet die Niederlage in der Ausschreibung um die S-Bahn.

Brüggemann: Das trifft uns natürlich sehr. Bei der Vergabe von Aufträgen gibt es nun mal leider keine Silber- oder Bronzemedaille, es gibt einen Gewinner und sonst nur Verlierer. Aber wir sind aus dem S-Bahngeschäft Rhein-Ruhr nicht komplett raus. Wir haben die getrennt ausgeschriebenen Instandhaltungsleistungen für die Fahrzeuge unseres Wettbewerbers Keolis gewonnen. Für den Rest der Instandhaltung sind wir in Gesprächen.Wir müssen dort sofort in die Betriebsplanung gehen, weil wir als Instandhaltungspartner auf jeden Fall für einen großen Teil der S­Bahn unterwegs sein werden.

Der Wettbewerb im Nahverkehr nimmt weiter zu. Kann das System so funktionieren?

Puderbach: Nein. Ich beobachte das mit großer Sorge. Der Wettbewerb darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden. Die Folge ist doch, dass wir diejenigen Menschen, die sich im System auskennen, bald nicht mehr in der Region haben und wir dann neu ausbilden müssen. So kann es eigentlich nicht laufen.

Was passiert nach dem Wegfall der S-Bahnlinien im Ruhrgebiet mit den Beschäftigten?

Brüggemann: Die Bahn hat seit vielen Jahren die Vereinbarung mit den Sozialpartnern, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen und Mitarbeitern, die ihren Arbeitsplatz verlieren, Angebote zu machen, damit sie eine Aufgabe an anderer Stelle im Konzern finden. Das kann allerdings dann auch außerhalb von NRW sein. Wir wissen jedoch, dass viele in der Region bleiben möchten und werden Anstrengungen unternehmen, für unsere Mitarbeiter auch Perspektiven bei unseren Mitwettbewerbern zu finden.

Um wie viele Mitarbeiter geht es konkret in Abhängigkeit von dem S-Bahnauftrag Rhein-Ruhr?

Brüggemann: Wir reden über rund 250 direkte Mitarbeiter, im Wesentlichen Lokführer und Kundenbetreuer. Puderbach: Es müssen Sozialstandards in die Ausschreibungen rein. Klare Bestimmungen, um vorzuschreiben „Du musst das Personal übernehmen“ und zwar zu dem Vergütungsniveau, das es heute bekommt.

Wie sieht die Zukunft der Bahn im Nahverkehr aus?

Brüggemann: Unser Geschäftsmodell von DB Regio ändert sich. Wir kämpfen zwar mit aller Kraft um unser Kerngeschäft, sehen unsere Rolle in der Zukunft jedoch auch als Dienstleister rund um die Schiene. Das heißt, wir arbeiten auch für unsere Wettbewerber als Subunternehmer. Wir vernetzen uns stärker untereinander und übernehmen Abstimmungen, was die Verkehrsleistungen selbst angeht – darauf müssen wir uns verstärkt konzentrieren.

Sie liefern ihren Konkurrenten Dienstleistungen und gut ausgebildetes Personal zu – haben sie den Wettbewerb nicht schon aufgegeben?

Brüggemann: Die kontinuierliche Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit steht auf unserer Aufgabenliste ganz oben und wir werden alles daran setzen, Verkehre von unseren Wettbewerbern zurückzugewinnen. Er ist für uns Realität im Tagesgeschäft. Wenn wir als öffentlicher Verkehr gegenüber dem Individualverkehr langfristig eine Chance haben wollen, dann müssen wir als System funktionieren. Es ist ein Spagat. In Ausschreibungen gibt es Sieger und Verlierer, aber danach ist eine konstruktive Partnerschaft notwendig – schon im eigenen Interesse. Der Fahrgast hat ja oft nicht die Möglichkeit sich zu entscheiden, ob er jetzt Abellio oder DB fährt. Er nimmt uns als System „ÖPNV“ wahr.

Was empfinden Sie dann, wenn Sie hören, dass sich Kundenbeschwerden über Mitwettbewerber – wie etwa bei National Express – häufen?

Brüggemann: Bedauern, weil es dem Nahverkehr und damit uns allen schadet. Die Kollegen werden möglicherweise gezwungen sein, in diesem Punkt nachzusteuern, mehr Geld auszugeben, um die versprochene Leistung zu erbringen. Vielleicht waren Wettbewerber an der einen oder anderen Stelle auch zu mutig in der Kalkulation. Das heißt sicher nicht, dass ich mich als Unternehmensleiter darauf verlasse, dass andere teurer werden und wir uns nicht verändern müssen. Auch wir haben unsere Hausaufgaben zu machen.

Zum Beispiel beim Thema Pünktlichkeit?

Brüggemann: Wir sind beim Thema Pünktlichkeit nicht da, wo wir sein wollen. Die S-Bahnen sind allerdings im Durchschnitt über 90 Prozent pünktlich. Im Kölner Raum, zum Beispiel beim Rhein-Sieg-Express müssen wir aber sicher noch mehr tun. Das Problem ist, dass wir so viel Verkehr auf der Schiene haben, dass die Infrastruktur keine Störung verzeiht. Daher ist der Ausbau der Infrastruktur nötig – der Knoten Köln spielt da eine wichtige Rolle.Puderbach: Ich sehe das wie mein Kollege. Der Kunde nimmt uns uns alle als eine Einheit wahr. Entscheidend ist, dass die Leistung gut ist. Wir haben ein klares Klimaschutzziel im gesamten Sektor „Verkehr“. Das bedeutet, wenn wir das Klima im Bereich der Mobilität tatsächlich schützen wollen, dann benötigen wir den ÖPNV. Aber dazu müssen die Randbedingungen so angepasst werden, dass wir das auch leisten können. Dazu benötigen wir die massive Unterstützung der Politik.

Wie sollte diese Unterstützung ihrer Meinung nach aussehen?

Puderbach: Mobilitätsverbesserungen bekomme ich nicht, wenn ich mit dem Bus im gleichen Stau sitze, wie Sie, wenn Sie mit dem Auto fahren. Und hier in Bonn stehen sie im Stau, wenn Sie in die Stadt wollen – egal von welcher Seite. Das gleiche in Köln und in Düsseldorf. Das Angebot ist nicht attraktiv genug, weil Sie mit dem ÖPNV nicht schneller wegkommen als mit dem Pkw. Wir benötigen Busspuren, Vorrangspuren für den Nahverkehr. Und die gibt es nicht.

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