1. Bonner Immobilienmesse Ein Markt mit vielen Herausforderungen

BONN · Bonn wächst, der Immobilienmarkt boomt. Victoria Appelbe, Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung, und Jeannette Wagner, Abteilungsleiterin Regional- und Stadtentwicklungsplanung, sprechen über die Herausforderungen, die das mit sich bringt.

Die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen in Bonn ist ungebrochen. Was macht Bonn zu so einem attraktiven Immobilienstandort?
Victoria Appelbe: Der Immobilienstandort Bonn wird beflügelt durch die insgesamt positiven Grundfaktoren in der Stadt. Da sind unsere Aussichten hervorragend, sowohl mit Blick auf das Bevölkerungs- als auch das Beschäftigungswachstum, wo wir jetzt im sechsten Jahr in Folge einen Zuwachs hatten. Die attraktive Infrastruktur und die Lebensqualität, die Kulturangebote, die Bildungsangebote - das alles führt dazu, dass wir nicht nur einen Geburtenüberschuss haben, sondern auch Zuzüge. Der Immobilienstandort reagiert auf diese Entwicklung und ist sehr stark davon abhängig, sowohl was die Nachfrageseite angeht als auch die Angebotsseite.

Für die einen mag der boomende Bonner Immobilienmarkt ein Grund zur Freude sein. Für Normalverdiener mit Kindern, die ein Haus oder eine Wohnung suchen, ist Bonn ein schwieriger Markt, teuer und mit begrenztem Angebot.
Jeannette Wagner: Die Zielgruppe Haushalt mit Kindern ist eine Gruppe, über die wir uns sehr freuen, weil man von ihr sagen kann, dass sie stadtökonomisch der Stadt etwas bringen. Es ist aber auch eine Zielgruppe, die hohe Ansprüche an den Wohnstandort stellt. All das bietet Bonn auch heute schon in hohem Maße. Aber natürlich ist es so, dass sich diese hohe Nachfrage auch im Markt widerspiegelt.

Es haben sich verschiedene Wege herauskristallisiert, damit umzugehen. Der eine ist, dass es Ziel der Stadt ist, in allen größeren Neubauvorhaben einen bestimmten Mindestanteil von sozialem Wohnungsbau zu realisieren. Der andere Weg ist der der Bestandsentwicklung. Wir haben ganz viele Anträge auf Aufstockung, auf Ausbau. Das sind alles kleine Schaffungen von Wohnraum, die wir natürlich versuchen zu fördern. Es gibt immer wieder die Diskussion, innerstädtische Freiflächen für Wohnungsbau freizugeben, das bedarf einer sehr genauen Prüfung. Ich hatte die Qualitäten erwähnt, die Bonn hat, genau da muss man dann sehr genau austarieren.

Wie kann die Stadt die Gratwanderung schaffen, den Zuzug zu ermöglichen und gleichzeitig Bonns Qualitäten zu bewahren?
Appelbe: Da möchte ich die Region ins Spiel bringen. Nicht nur die Betrachtung der Stadt Bonn ist wichtig. Wir haben ein Pendlersaldo in Höhe von knapp 74.000 Menschen. Täglich pendeln nach Bonn 122.000 Menschen zur Arbeitsstelle. Das zeigt, dass sich in der Region der Arbeits- und Lebensraum der hier lebenden Menschen nicht nur auf die Stadt begrenzt. Auch in anderen Bereichen des Immobilienmarkts denken wir nicht nur städtisch, sondern auch regional.

Nachdem zunächst befürchtet wurde, dass in Bonn nach dem Regierungsumzug die Lichter ausgehen, zeichnet sich seit Mitte der neunziger Jahre eine ganz andere Entwicklung ab. Anfang des Jahres hat die Stadt das Wohnraumversorgungskonzept vorgelegt. Hat sie früh genug reagiert?
Wagner: Auch früher gab es Ideen zum Thema Wohnungsbauentwicklung. Wir fangen nicht erst heute an, Wohngebiete auszuweisen. Ganz im Gegenteil, das hat in früheren Jahren in noch viel stärkerem Maße stattgefunden als jetzt, weil noch ausreichend Fläche da war. Es ist, glaube ich, jetzt ein Thema geworden, weil die Flächen eng werden. Wenn es auf der Angebots- und Entwicklungsseite eng wird, muss man sich mit dem Thema beschäftigen, und da sind wir jetzt. Solange man Flächen hat, die man entwickeln kann, läuft es ja zunächst mal. Wir erfinden das Thema nicht komplett neu, im Gegenteil, das ist immer ein Thema der Stadtentwicklung gewesen.

Ist der derzeitige Boom eher Segen oder Fluch für eine Stadt?
Wagner: Sowohl als auch. Es ist natürlich toll, ein nachgefragter Standort zu sein. Aber man ist nur solange gesucht und es ist nur solange ein Segen, solange man genau diese Qualitäten halten und sichern kann.
Appelbe: Wachstum stellt eine Kommune vor Herausforderungen in Bezug auf die Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur. Das ist unterm Strich ein Vorteil, aber man muss in angespannten Haushaltszeiten wie den jetzigen dies auch genau im Blick haben und die Balance halten.

Wie viel Wachstum verkraftet Bonn noch, wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Wagner: Es wird nie Schluss sein. Vielleicht mit der Bevölkerungsentwicklung, aber nicht mit der Flächenentwicklung. Wandel wird immer sein. Das ist eine Frage, die wir im Kleinen bei fast jedem Wohnungsbauprojekt diskutieren. Wenn ein Investor eine dreigeschossige Bebauung mit Staffelgeschoss will, dann führen wir mittlerweile in den allermeisten Fällen sehr intensive Diskussionen - beispielsweise mit den unmittelbaren Nachbarn.

Die stellen Fragen, die ihre Berechtigung haben, die aber natürlich im Ergebnis dazu führen, dass einzelne Vorhaben kleiner werden und so weniger Wohnungen bieten. So dass diese Diskussion, ob irgendwo ein Ende der Fahnenstange erreicht ist, letztlich bei fast jedem Wohnungsbauprojekt mitgeführt wird. Und im Ergebnis kommen wir vielleicht nicht auf die von uns anvisierten 1000 Wohnungen pro Jahr. Weil es vor Ort umgesetzt und eben auch vermittelt werden muss.

Ein Markt mit Chancen, aber auch vielen Herausforderungen. Was kann die erste Bonner Immobilienmesse da leisten?Appelbe: Ich begrüße dieses neue Angebot, weil ich denke, dass es ein neue Plattform für einen Austausch über Wohnen ist. Und dass da ein noch besserer Überblick für Interessenten geschaffen werden kann. Insofern ist es eine positive Initiative.

Zur Person

  • Victoria Appelbe ist seit 2008 Wirtschaftsförderin der Stadt Bonn, zuvor war sie Wirtschaftsförderin der Region Aachen. Appelbe wurde 1971 in London geboren und studierte in Canterbury und Cambridge. Sie ist verheiratet und hat ein Kind.
  • Jeannette Wagner ist Abteilungsleiterin für Regional- und Stadtentwicklungsplanung.

Bonner Immobilienmesse:
Die Bonner Immobilienmesse startet am Samstag, 8. September, um 11 Uhr im Münster-Carré, Gangolfstraße 14. Der Eintritt ist frei. Es gibt eine kostenlose Kinderbetreuung. Andreas Mühl, stellvertretender Chefredakteur des General Anzeigers, wird zwischen 14 und 16 Uhr für Fragen rund um die Redaktion zur Verfügung stehen.

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