Kommentar zum gesunkenen Milchpreis Ein Ausgleich fehlt

Meinung | Brüssel · Was ist das nun? Eine Spätfolge der so oft kritisierten Milchseen und Butterberge? Oder der Preis für die Marktwirtschaft? Viele Milchbauern leben nicht mehr, sie überleben nur noch.

Preise unter 30 Cent, die sie noch vor Jahren auf die Straßen trieben, reichen zwar auch kaum, um einen mittelständischen Betrieb rentabel führen zu können. Doch nun bekommen sie nicht einmal mehr 20 Cent. Weil zu viel produziert wird. Weil ein Ausgleich fehlt. Weil Staat und EU mit sich nicht über ein System der Mengenbegrenzung wie die abgeschaffte Milchquote mit sich reden lassen. Und weil Molkereien und Einzelhandel alles billiger machen. Der Verbraucher mag sich freuen, wenn die Preise purzeln.

Doch das ist eine Milchmädchen-Rechnung, wenn der Staat dreistellige Millionensummen in die Hand nehmen muss, um Höfe zu stabilisieren. Eine gesunde landwirtschaftliche Struktur sieht anders aus. Bislang streiten die verschiedenen Verbände, in denen die Landwirte zusammengeschlossen sind, um den richtigen Weg. Natürlich könnte sich die Branche verpflichten, die Milchmenge zu begrenzen. Doch wer von dem weißen Gold leben muss, braucht mehr Umsatz – nicht weniger. Und eine solche freiwillige Quote wirkt erst, wenn wieder einige Höfe mehr „gestorben“ sind.

Dabei wissen die EU und die Regierungen der betroffenen Mitgliedstaaten sehr wohl, dass es nicht reicht, die Bauern sozusagen zu Angestellten zu machen, weil sie ja ganz nebenbei auch noch die Landschaft pflegen. Hinzu kommt, dass die Produzenten auch noch als Bauernopfer die Auswirkungen des russischen Lebensmittel-Embargos ausbaden müssen und mit scharfer Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu kämpfen haben. Als China vor Jahren plötzlich seine Lust auf Milch entdeckte, spürten dies die Bauern im Geldbeutel. Die deutschen und europäischen Verbraucher auch, weil die Preise anzogen. Doch die Zeiten sind vorbei, was vor allem die Landwirte zu Geschädigten macht. Die EU muss wissen, dass die Herstellung gesunder Lebensmittel, dass artgerechte Tierhaltung und neue Kontrollauflagen Geld kosten.

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Hendrik Hakenes ist Finanzprofessor an der
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